Das Festmahl des John Saturnall
Gesicht. Dann wandte der Höfling sich an Mister Pouncey.
»Alles sei in bester Ordnung, habt Ihr versprochen«, zischte Sir Philemon. »Die Küchen, die Keller, die Schlafzimmer des Königs. Wenn Ihr schon keinen Palast bieten könntet, wolltet Ihr wenigstens den Schmutz aus den Scheunen kehren. Ihr gabt mir Euer Wort. Und ich gab meines. Und nun diese Bescherung.«
John spürte, wie die Hand des Höflings ihn am Nacken packte. Er wurde den Gang entlang zu dem Schirm am Ende gezerrt. Als das Stimmengewirr und Tellerklappern lauter wurde, wandte Sir Philemon sich nochmals an John.
»Siehst du dieses Lächeln, Küchenjunge?« Er hob die freie Hand, und für einen Augenblick dachte John, er wolle ihn schlagen. Doch Sir Philemon fuhr nur mit einer Fingerspitze an der roten Spur seiner Narbe entlang. »Wenn du mich enttäuschst, werde ich dir ein Pendant dazu verleihen.«
Ein Stoß ließ John vorwärts stolpern. Er ging um den Schirm herum und betrat den großen Saal.
Die langen Tische erschienen ihm wie Schiffe auf dem Meer, voller Gesichter, die vor und zurück schaukelten. Ein Wall schimmernder
Schwerter und Speere ragte vor ihm auf. Der hohe Tisch erhob sich am Ende des Saals auf einem Podium. John erhaschte einen flüchtigen Blick auf die Edelmänner und ihre Damen.
»Senk den Blick!«, zischte Sir Philemon. Er führte John zwischen den Tischen hindurch. Als sie das Podium erreichten, trat Stille ein. Dann sprach eine Stimme von dem hohen Tisch herab. Eine Stimme, die John kannte.
»B-bringt ihn her, Sir Philemon.«
Ein melancholisches Gesicht sah John an. Ein sauber gestutzter Bart zierte das Kinn des Mannes. John begriff, warum das Gesicht des Höflings ihm am Abend zuvor bekannt vorgekommen war. Er hatte es am Tag seiner Ankunft im Gutshaus gesehen, auf den Seiten des Zeitungsblättchens, das Ben Martin gekauft hatte. Nun sah ihn der stotternde Bedienstete des Vorabends vom Mittelpunkt des hohen Tischs aus an; er trug einen Hut aus dickem schwarzen Samt, geschmückt mit zwei herabhängenden Federn, und ein schwarzes Wams aus schimmernder Seide. Eine der Hände des Königs spielte mit einem Löffel, und mit der anderen klopfte er an eine große runde Platte, auf der sich das angebrochene Dessert für König Tantalus befand.
»Seht nur«, sagte er, »den Koch, dem keine Fehler unterlaufen.«
Die Höflinge kicherten. Als Sir Philemon ihn das Podium hinaufführte, entsann sich John seiner Worte am Vorabend. Warum hatte er die Eindringlinge nicht einfach hinausgeworfen? Zur einen Seite Seiner Majestät stützte sich ein rotgesichtiger Piers Callock auf einen Ellbogen zwischen dem glitzernden Silbergeschirr. Auf der anderen Seite saßen zwei Frauen in prächtigen Seidengewändern und mit glitzernden Halsketten. Eine der beiden trug eine edelsteingeschmückte Tiara. Die andere sah aus wie eine Porzellanpuppe; ihr Gesicht war mit Puder zugetüncht, und ihre Haare waren zu kunstvollen schwarzen Löckchen aufgetürmt. Zwei dunkle Augen blickten aus der weißen Einöde, die nur ein schwarzer Tupfer auf der Wange unterbrach. Ein Kleid aus silbrigblauer Seide bauschte sich um sie. John, der auf die Knie sank, erkannte erschrocken, dass diese Puppe Lucretia war.
»So, Master Saturnall, Ihr wolltet also für den König kochen?«
Als Seine Majestät das Wort ergriff, wurde an den Tischen noch vernehmlicher gekichert.
»Euer Majestät, es war allein mein Verschulden ...«
Der König klopfte auf den Teller, der vor ihm stand. »Allein Euer Verschulden? Es war doch gewiss mein Verschulden – dass ich diese ... diese Salzmine essen wollte.«
John hörte, wie das Kichern zu Gelächter wurde. Piers’ Gewieher dröhnte am lautesten. John spähte durch seine Wimpern und sah Sir William lächeln. Unter den Festgästen am hohen Tisch wirkte nur Lucretia ungerührt. John spürte, wie seine Wangen glühten.
»Ihr dürft wahrlich er-röten, Meisterkoch«, fuhr der König unnachgiebig fort. »Aber was schlagt Ihr nun v-vor? Hebt den Blick, Master Saturnall.«
Das Gelächter wurde unsicher und erstarb, als der König sich vorbeugte. John, der auf den Dielen des Podiums kniete, sah auf.
»Zappelt auch Ihr in diesem Meer aus Salz?«
Meer aus Salz, dachte John. Er suchte in seinem Gedächtnis. Was hatte seine Mutter gesagt, als sie zusammen auf die Marschen des Tieflands geblickt hatten? Dass das Salzwasser auf dem Süßwasser schwamm, ohne es zu verunreinigen ...
»Habt Ihr nichts zu sagen, Master Saturnall?«, fragte
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