Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
seinem Handy. Unter Umständen brachte ein kurzes Gespräch mit Evelyn ihn auf andere Gedanken. Sie hatte von Anfang an ein echtes Talent dafür gezeigt, ihn in tristen Momenten aufzuheitern. Bei der Vernissage in einer renommierten Galerie einen Steinwurf vom Hamburger Rathaus entfernt, bei der sie sich zum ersten Mal über den Weg gelaufen waren, war sie die Einzige der kunstinteressierten Damen dort gewesen, die seinen Beuteinstinkt geweckt hatte. Und warum? Weil sie dem anwesenden Künstler, dessen Werke einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert wurden, klipp und klar gesteckt hatte, was sie von seinem Schaffen hielt.
Leider konnte er sie nicht erreichen, aber er verzichtete darauf, eine Nachricht auf der Mailbox zu hinterlassen. So war das nun mal, wenn man eine derart offene Beziehung führte. Man hatte keine Garantie, dass der andere im Moment nicht gerade mit seinen eigenen Hobbys und Affären beschäftigt war und nicht als Abladestelle für etwaige emotionale Irrungen und Wirrungen zur Verfügung stand.
Es wäre leichter für ihn gewesen, die richtigen Konsequenzen und somit die Notbremse für seine romantischen Spinnereien in Sachen Veronika Möllner zu ziehen, wenn nicht gerade etwas passiert wäre, das ihm sehr zu denken gegebenhatte: Bei seiner ersten Runde um das Feuer hatte er sie gesehen. Halt, er glaubte , sie gesehen zu haben. Hinter einem Pulk aus Jugendlichen, die sich einen Spaß daraus machten, herauszufinden, wer von ihnen es schaffte, sich dem Feuer am dichtesten zu nähern. Er wusste sogar noch, dass ihr Anblick ihm ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert hatte. Bis er sich dann jedoch zügig durch die Reihen der Halbstarken hindurchgekämpft hatte, war sie verschwunden gewesen. Nicht ganz so, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätte. Ein Stück weiter stand eine blonde Frau mit einer ähnlich zierlichen Statur und unterhielt sich angeregt mit zwei Jungs in der weißen Montur von Rotkreuz-Sanitätern. Inzwischen war er sich zu neunzig Prozent sicher, dass er nur einer optischen Täuschung aufgesessen war. Es hätte nicht zu ihr gepasst, ihren Mann allein zu lassen, nur um einen Abstecher zum Osterfeuer zu unternehmen.
Als Bernd wieder in den Trubel der Feiernden eintauchte, beglückwünschte er Veronika stumm zu ihrer Entscheidung. Auf ein Aufeinandertreffen mit Thies Lüdersen, den Bernd in der Nähe einer der Bratwurstbuden herumlungern sah, hätte sie ohnehin dankend verzichtet. Bernd stellte fest, dass er alles an diesem Typen affig fand: die langen Haare, den ungepflegten Bart, die Mittelalter-Klamottage, das Trinkhorn am Gürtel, die kehligen »Wotan! Wotan!«-Rufe. Der Mann hatte definitiv ein Rad ab. Wenn Bernd zwanzig Jahre jünger gewesen wäre, wäre er zu ihm gegangen und hätte ihm erzählt, was er von ihm hielt – und er hätte ihm eindeutig zu verstehen gegeben, dass er sich seine Pläne, Veronika den »Hirschhof« abzukaufen, um ihn in eine neoheidnische Kultstätte zu verwandeln, mal besser abschminkte. So jedoch ballte er einmal kurz die Fäuste und beschloss, Lüdersen schlicht zu ignorieren und sich umzusehen, wo Katja abgeblieben war.
Als er sie in einem Zelt an einem Stehtisch entdeckte, bekam er gleich die nächste Gelegenheit, die Fäuste zu ballen.Einer der Männer, mit denen sie in der Kantine des AKWs geredet hatte, bedrängte sie mit einer Schnapsflasche und drückte ihr dabei den Arm gegen die Brüste.
Bernd war von einer Sekunde zur anderen auf einhundertachtzig. »Lass deine Griffel von ihr, du Drecksack!«, brüllte er und stürmte auf den Tisch zu. Er packte den Grabscher an der Schulter und wirbelte ihn zu sich herum.
»Bernd! Nicht!«, rief Katja.
Der Mistkerl schaute ihn verdattert an. »Was soll das?«
»Du weißt genau, was das soll!«, blaffte Bernd und packte seinen Gegner mit beiden Händen am Kragen seines Poloshirts.
»Finger weg!« Der Mann warf sich ihm mit voller Kraft entgegen.
Bernd stieß mit dem Rücken gegen den Stehtisch, der unter der Wucht des Aufpralls umkippte. Trotzdem dachte Bernd nicht daran, seinen Kontrahenten loszulassen, sodass sie beide aus dem Gleichgewicht gerieten. Unter den ersten überraschten Rufen der anderen Leute im Zelt gingen sie beide zu Boden. Bernd wurde die Luft aus den Lungen gequetscht, und irgendetwas Hartes bohrte sich ihm schmerzhaft in die Rippen. Er drehte den Kopf zur Seite, um einem ungelenken Hieb mit der Schnapsflasche auszuweichen, der mitten in sein Gesicht zielte. Die improvisierte Keule
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