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Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)

Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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sein. Sehr vorsichtig. Wenn es ihm nicht bald gelang, all das, was er so lange verdrängt hatte, wieder zurück in die düstersten Winkel seines Gedächtnisses zu treiben, wurde er am Ende noch verrückt.

37
    Sie lag langgestreckt auf dem Rücken, die Arme stramm an den Seiten, als hätte man sie zum Appell gerufen. Der Tisch war hart, und das gleißende Licht der Neonröhre stach ihr indie Augen. Unter ihrer Kapitänsjacke mit den goldenen Ärmeltressen und den großen Silberknöpfen war sie nackt. Die Seide des Innenfutters schien ständig über ihre Brustwarzen zu gleiten, obwohl sie sich nicht rührte.
    Von allen Seiten prasselten Fragen auf sie ein, in heiterem Ton von schweren Zungen gestellt.
    »Wie viel Kubikmeter hat eine Registertonne?«
    »Wo liegt unsere Maschinenleistung?«
    »Wie hoch ist unsere maximale Geschwindigkeit?«
    Sie antwortete jedes Mal rasch und entschlossen, weil sie die richtigen Antworten genau kannte. Sie war niemand, der unvorbereitet auf Reisen ging.
    »2,38.«
    »Bei elftausend PS.«
    »Siebzehn Knoten.«
    Doch jedes Mal erntete sie damit nur aufbrausendes Gelächter und ein und dasselbe Wort aus vielen Kehlen.
    »Falsch.«
    »Falsch.«
    »Falsch.«
    Immer wenn das Wort verhallt war, schob sich eine fremde Hand unter ihren Hinterkopf, um ihn anzuheben und nach vorn zu drücken, bis ihr Kinn auf ihrer Brust zu liegen kam. Dann nahm sie den bitter-salzigen Geruch wahr und spürte das Glas an ihren Lippen. Lauwarm und zäh floss die Masse in ihren Mund und drohte ihn ganz auszufüllen. Ihr wurde die Nase zugehalten, und sie schluckte, um nicht zu ersticken. Der Lohn für ihren Gehorsam waren begeisterte Lobesrufe.
    Nach einer Weile begann sie zu weinen, aber sie hätte nicht zu sagen vermocht, ob vor Schrecken oder vor Erleichterung darüber, dass die Fragen endlich verstummt waren. Sie wurde an den Schultern in die Höhe gezogen, bis ihre Beine über die Tischkante baumelten. Sie hielten ihr einen Spiegel vors Gesicht. Unter dem Rand ihrer Kapitänsmütze blickten ihrzwei leere Augenhöhlen entgegen. Sie öffnete den Mund, um zu schreien, doch ihr kam nur ein hoher, pfeifender Ton über die Lippen. Der Spiegel zerbarst in einem Wirbel aus schillernden Scherben, und sie erwachte auf ihrem Fernsehsessel im Wohnzimmer, die Hände um die Lehnen gekrallt.
    Auf dem Bildschirm rannten Fußballspieler dem Ball hinterher, die Wiederholung einer uralten Partie aus einem Turnier, dessen Sieger und Verlierer schon lange feststanden. Eine am unteren Rand durchlaufende Einblendung bat um Verständnis für eine Tonstörung. Das Pfeifen, das sie aus ihrem Albtraum geweckt hatte. Waren Albträume noch Albträume, wenn beinahe jeder Traum, den man hatte, ein Albtraum war? Sie schaltete das Gerät aus und wurde ein weiteres Mal mit ihrem Spiegelbild konfrontiert. Ein matter, verwaschener Schemen. Nur in ihren Augen glaubte sie noch die Flammen lodern zu sehen, und sie hoffte, dass diese die quälenden Erinnerungen bald restlos verzehrt haben würden.

38
    Für Sven Jarms begann der Ostersonntag wenig beschaulich. Einen Teil dazu trug sein Brummschädel bei, der das satte Tuckern des Traktormotors wie donnernde Hammerschläge klingen ließ. Er hatte am Vorabend einen gezwitschert – frei nach seinem persönlichen Motto »Feuer macht durstig«, das er je nach Bedarf zu »Arbeit macht durstig«, »Feiern macht durstig« oder »Fernsehen macht durstig« abwandelte. Der Hauptgrund für seine miese Laune waren allerdings die Vorhaltungen, die ihm seine Frau an den Kopf geworfen hatte. Nicht nur des Saufens wegen. Er versprach ihr schon seit einigen Jahren, dass er dem Bürgermeister unddem Stadtrat schonend beibringen würde, dass sie sich doch bitte ein anderes Gelände für das Osterfeuer suchen sollten als sein Grundstück oben an der Geest. »Nur damit sie mal merken, dass das keine Selbstverständlichkeit ist«, war ihr Hauptargument. Jarms wusste genau, wo der Hase im Pfeffer lag: Seine Alte konnte schlicht und ergreifend die Alte des Bürgermeisters nicht leiden. Also war ihr jedes Mittel recht, Stunk zu verbreiten. Es war schon ein Kreuz mit den Weibern.
    Jarms bremste direkt vor dem Rund aus Asche und verbrannter Erde, wo in der Nacht zuvor das Osterfeuer gelodert hatte, zog die Handbremse an und schaltete den Traktor in den Leerlauf. Er stieg von seinem Gefährt herunter, schritt am Anhänger entlang und machte sich daran, dessen Ladeklappe zu öffnen. Er hatte beschlossen, seine Bierbänke und

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