Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
schneeweißes Frachtschiff mit einem auffälligen Deckshaus zum Bug hin. »Was ist das für ein Schiff?«, fragte sie Johnsen.
»Die ›Fritz Straßmann‹.« Er steckte die Hände lässig in die Hosentaschen, wie es manche Gestütsbesitzer beim Hamburger Derby taten, wenn sie stolz ihr bestes Tier im Stall lobten. »Auf der bin ich mit Ihrem Onkel gefahren. Haben Sie schon mal von der ›Otto Hahn‹ gehört?«
»Da muss ich leider passen.«
»Ha«, machte Bernd entsetzt. »Mädchen, bringt man euch in der Schule heute denn noch irgendetwas bei? Die ›Otto Hahn‹ war das erste nuklearbetriebene Schiff unter deutscher Flagge. Gebaut als Testballon, um zu sehen, wie sich solche Schiffe für den Seehandel und als mobile Forschungsstationen eignen.«
»Völlig korrekt«, bestätigte Johnsen. »Die ›Straßmann‹ war so etwas wie ihr Schwesterschiff. Zwanzig Jahre später vom Stapel gelaufen, als man die Idee noch einmal aufgegriffen hat. Auf ihr waren Hunderte von Forschern und Wissenschaftlern unterwegs, aus allen möglichen Fachbereichen. Nacheinander, versteht sich. Bis sie dann ’98 endgültig außer Dienst gestellt und an die Chinesen verhökert wurde. Nach Ausbau des Reaktors logischerweise. Wollen Sie etwas Komisches hören? Meine Schwägerin ist auch mal mit ihr gefahren.«
»Sie meinen Erika Saalfeld?«, fragte Katja nur zur Vorsicht. Es war nicht auszuschließen, dass Johnsen mehr als nur die eine Schwägerin hatte, die die Anti-AKW-Bürgerbewegung vor Ort anführte.
»Kaum zu glauben, was?« Er grinste. »Das war zu der Zeit, als Tschernobyl wieder aus den Schlagzeilen raus undFukushima noch nicht passiert war. Und vor dem Tod meiner Nichte. Damals war Erika noch normal. Es war eine Fahrt ins Nordmeer. Sie hat an irgendwas über den Lebenszyklus von Plankton geforscht. Sie ist von Haus aus studierte Meeresbiologin.«
»Das hat mir Ihr Neffe schon erzählt«, sagte Katja.
»Oh, Sie sind Thilo begegnet?«
Sie nickte. Das konnte man wohl sagen. Zum Glück brauchte sie Johnsen nicht zu erzählen, dass sein Neffe einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen hatte. Einen, von dem sie bisher noch nicht sicher war, wie sie ihn handhaben sollte. Einfach nicht mehr darüber nachdenken? Immerhin wartete daheim in Hamburg Enzo auf sie. Oder doch in die Offensive gehen? Nein, besser nicht. Sie war doch nicht wie Bernd, der jeder Frau nachstieg, die halbwegs sein Interesse weckte.
»Er ist ein guter Junge. Es hätte ihm sicher nicht geschadet, wenn mein Bruder ihn mitgenommen hätte, als er wieder klar im Kopf war und Erika den Laufpass gegeben hat.« Johnsen seufzte. »Aber Sie sind bestimmt nicht hier, um sich meine Familiengeschichten anzuhören.«
Er führte Katja und Bernd ins Wohnzimmer, wo er ihnen einen Platz auf dem Dreisitzer einer Ledercouchgarnitur und etwas zu trinken anbot. Katja bat um einen Kaffee, Bernd entschied sich für ein alkoholfreies Bier aus der Flasche wie ihr Gastgeber.
»Wir kommen gerade von Herrn Burmester«, sagte Katja, als Johnsen mit den Getränken zurück war und sich ihnen gegenüber auf einen Sessel gesetzt hatte.
»Ich weiß«, entgegnete er. »Er hat angerufen. Sie haben ihn an einem seiner schlechten Tage erwischt.«
Bernd kniff skeptisch die Augen zusammen. »Er hat auch gute Tage?«
»Gernot ist … na ja …« Die Spitze von Johnsens Zeigefinger beschrieb zwei kleine Kreise an seiner Schläfe. »Ich meine,Sie haben sein Haus doch gesehen. Als Techniker ist er eine glatte Eins. Ich würde sogar sagen, dass seine Paranoia in diesem Zusammenhang sehr hilfreich ist. Ein Reaktorbetrieb kann von so viel übersteigerten Bedenken nur profitieren. Was alles andere angeht …« Er zuckte die Schultern. »Er hat eine blühende Fantasie und malt sich ständig irgendwelche Horrorszenarien aus. Zum Beispiel über einen von unseren Kollegen. Der ist vor ein paar Wochen tödlich verunglückt, und Gernot sieht da eine Verschwörung am Werk. Obwohl er genau weiß, dass die Promillegrenze für Peter immer nur ein ungefährer Richtwert gewesen ist.«
Katja trank einen Schluck Kaffee. Johnsen kochte ihn so, wie man ihn wahrscheinlich an Bord von Schiffen trank – für Landratten wie sie stark an der Grenze zur Ungenießbarkeit. Ihr entging nicht, dass Johnsen den Autounfall gehörig herunterspielte, doch sie beschloss, an dieser Stelle nicht weiter nachzubohren. Sie wollte nicht riskieren, dass er völlig zumachte, wenn sie zu sehr auf dieser einen Sache herumritt. Außerdem
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