Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
abschließendes Keuchen. Ritter ekelte ihn an. Selbst in einem solchen Augenblick, in dem jeder Mann bei halbwegs klarem Verstand gewusst hätte, dass es keine schlaue Strategie war, sich zuzuschütten, griff dieser Trottel immer noch zur Flasche.
»Und jetzt?«, fragte Ritter. »Verdammt, wir müssen was tun, bevor sie uns erwischt. Sie bringt uns alle um.«
»Red keinen Unsinn«, herrschte Johnsen ihn an. »Sie hat damit nichts zu tun. Wir haben das damals geregelt.« Verblüfft stellte er fest, dass er sich selbst nicht mehr glaubte. Die Vorstellung von radikalen Atomgegnern, die das endlose Gerede ihrer gemäßigteren Verbündeten vom gewaltfreien Widerstand endgültig satthatten – die Theorie, an der er bislang eisern festgehalten hatte, weil die Alternative zu erschreckend war –, kam ihm nun langsam vor wie ein albernes Hirngespinst. Diese Leute töteten nicht. Nicht absichtlich. Nicht so perfide geplant. Sie hatten nicht den Mumm dazu. »Das ist Wahnsinn. Das ist zwanzig Jahre her.«
»Wer ist es dann?« Ritter schniefte. »Sag doch. Wer sollte es denn sonst sein? Was haben wir denn irgendwem sonst getan?«
Johnsen war kurz davor, aufzulegen. Es fehlte nicht viel. Doch er riss sich zusammen. Es war niemandem damit geholfen, wenn er jetzt auch noch die Kontrolle über sich verlor. »Was hat Peter genau zu dir gesagt?«
»Dass er sie erst nicht erkannt hat. Aber dass er sich dann ganz sicher war. Wegen ihrer Augen.« Ritter begann zu schluchzen. »Warum haben wir das gemacht? Warum haben wir sie nicht einfach in Ruhe gelassen? Sie wollte doch nicht mehr. Warum haben wir nicht aufgehört?«
Johnsen wartete eine halbe Minute schweigend ab, bis Ritters Wimmern leiser wurde. »Mehr hat er nicht gesagt?«
»Doch«, flüsterte Ritter erstickt. »Doch. Er hat gemeint, sie hätte noch nicht gemerkt, dass er es ist. Und dass er vorhatte, mit ihr zu reden. Warum hat er das gemacht? Warum? Dann würde er noch leben. Und Frieder und Erich auch. Dann würden sie alle noch leben. Ist doch so. Ist doch so.«
»Ja, das ist wohl so«, sagte Johnsen, obwohl er befürchtete, dass sie sich beide irrten.
49
»Ich erinnere mich noch gut an die Feier.« Veronika deckte das schmutzige Geschirr vom Tisch ab. »Es war die erste Veranstaltung bei uns, seit die Scheune ganz fertig ist. Ein gelungener Start.« Teller und Besteck klapperten in der Spüle. »Bis auf den Unfall.«
Als Katja sie darum gebeten hatte, sich mit ihr über die Feier zu unterhalten, von der aus Peter Frigge in den Tod gefahren war, hatte ihr Veronika nicht nur das Du angeboten.Katja und Bernd hatten prompt eine Einladung erhalten, gemeinsam mit den Möllners in deren Küche zu essen. Es gab Labskaus, ein Gericht, das nicht unbedingt zu Katjas Leibspeisen zählte. Immerhin schien es Klaus Möllner geschmeckt zu haben. Der große Mann mit dem vernarbten Schädel hatte drei Teller davon in sich hineingeschaufelt. Er hielt noch immer den Löffel in der Hand – wie ein Kind, die geballte Faust um den Stiel geschlossen – und starrte vor sich ins Leere.
»Es herrschte eine ausgelassene Stimmung«, erzählte Veronika weiter, während sie Wasser ins Spülbecken einließ. »Viele junge Leute waren dabei. Logisch. Bei einer Verlobung. Der Bräutigam ist bei der freiwilligen Feuerwehr. Die haben sich ganz schön was für ihn einfallen lassen. Er musste mit verbundenen Augen einen Schlauch einrollen. Da gab’s vielleicht zotige Sprüche. Und irgendein schreckliches Gebräu musste er aus einem Helm trinken. Waldmeister und aufgelöste Lakritzbonbons und Wodka und Korn gemischt.« Sie schüttelte sich. »Aber die Braut hat sich prächtig amüsiert. Ein nettes Mädchen. Die weiß genau, was sie will. Ich wette, sie hat auch entschieden, wo die beiden ihr Haus bauen. Ich habe ihr einen guten Preis fürs Catering gemacht, weil ich sie auf Anhieb so sympathisch fand.«
»Raus.« Klaus streckte den Arm aus und bohrte Bernd, der neben ihm saß, den Löffel in die Schulter. »Raus.«
»Hey.« Die Beine seines Stuhls scharrten über die Fliesen, als Bernd sich vor dem plötzlichen Angriff in Sicherheit brachte, indem er fast bis zum anderen Ende des Tischs rutschte. »Vorsicht!«
»Raus«, wiederholte Klaus, den Löffel anklagend auf Bernd gerichtet. »Raus.«
»Lass das, Schatz.« Veronika entwand ihrem Mann die harmlose Waffe mit einer beeindruckenden Leichtigkeit, die von einiger Übung zeugte. Es hatte etwas von einer Erzieherin, die einem ungezogenen Kind das
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