Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
hatte sie noch genügend andere Fragen an ihn. »Herr Burmester hat etwas gesagt, was mir nicht aus dem Kopf will. Dass Sie mir etwas über meinen Onkel erzählen könnten, was mir unter Umständen nicht gefällt. Etwas, das Frauen angeblich nicht verstehen.«
»Hm.« Johnsen zog eine nachdenkliche Miene. »Etwas, das … Oh, das.« Er räusperte sich. Sein Blick huschte zu Bernd und dann zurück zu Katja. »Lassen Sie es mich so formulieren: Ihr Onkel war Junggeselle, aber kein Kind von Traurigkeit. Er ist mindestens einmal im Monat am Wochenende nach Hamburg gefahren. Auf den Kiez.«
»Zu …« Katja biss sich auf die Zunge. Das musste ein Irrtum sein. »Zu Prostituierten?«
Johnsen nickte. »Ich kann mir gut vorstellen, dass Gernot jetzt denkt, Ihr Onkel wäre dort in irgendeine Sache hineingeraten, die ihn am Ende das Leben gekostet hat.«
Katja sträubte sich, das Bild, das sie von ihrem Onkel hatte,mit dem eines Freiers in Einklang zu bringen, der regelmäßig zu Huren ging. Andererseits hatte sie ihn in den letzten Jahren nur selten gesehen, und zudem waren Besuche im Puff auch nichts, womit man sich seiner Nichte gegenüber gebrüstet hätte. Und wo sie jetzt darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass ihr Onkel ihres Wissens nie eine Partnerin gehabt hatte. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte er schon immer allein gelebt, in seinem Haus, das für einen einzigen Bewohner viel zu riesig war. Sie war bislang immer der Auffassung gewesen, Frieder wäre einer jener Menschen gewesen, die sich selbst Gesellschaft genug waren. Das bedeutete aber offenkundig nicht, dass er auf Sex verzichtet hatte. Er war anscheinend nur so sehr darauf bedacht gewesen, nach außen hin eine Fassade der absoluten Anständigkeit zu wahren, dass er sogar extra nach Hamburg gefahren war, anstatt örtliche Etablissements und Privatanbieterinnen entsprechender Dienstleistungen zu nutzen.
»Ich hoffe, das ist jetzt kein zu großer Schock für Sie«, sagte Johnsen. »Einmal Seemann, immer Seemann.«
»Wer’s nötig hat …«, sagte Bernd lapidar.
»Frauen verstehen das nicht«, murmelte Katja. Ihr war etwas eingefallen, das vielleicht zum wahren Lebenswandel ihres Onkels passte. »Mir hat eine Bedienung aus dem ›Postillion‹ erzählt, sie hätte letzten Dienstag gesehen, wie er sich dort auf dem Parkplatz mit einer Frau gestritten hat. Wissen Sie was darüber? Wer diese Frau gewesen sein könnte?«
Johnsen schüttelte langsam den Kopf. »Tut mir leid. Davon habe ich nichts mitgekriegt. Wenn ich Skat spiele, spiele ich Skat.«
»Das ist sehr bedauerlich«, merkte Bernd an.
»Glauben Sie etwa, mich würde das alles kaltlassen, was mit Frieder passiert ist?« Johnsens Faust war fest um den Hals seiner Bierflasche geschlossen. Seine Knöchel stachen hell unter der sonnengebräunten Haut hervor wie die Spitze von Eisbergen aus einer dunklen See. »Ich bin bereit, Sienach besten Kräften zu unterstützen. Frieder und ich waren Freunde, fast ein ganzes Leben lang. Ich will, dass dieses Schwein dafür bezahlt, was es ihm angetan hat. Wie krank muss man sein, dass es einem nicht einmal reicht, jemand anderen bei lebendigem Leib zu verbrennen?«
Für Katja sackte die Temperatur im Raum zu einer eisigen Kälte ab, der Schluck Kaffee in ihrem Mund schmeckte wie flüssige Asche.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Bernd.
»Das wussten Sie nicht?« Johnsens Stimme wurde hart wie Stahl. »Frieder wurde gefoltert, bevor man ihn umgebracht hat. Er wurde verstümmelt. An den Händen, im Gesicht und …« Er brach ab, die Lippen nur noch ein dünner Strich in seinem kantigen Gesicht.
»Und?«, fragte Katja, erschrocken über ihre eigene Beharrlichkeit.
Johnsen wich ihrem Blick aus. »Und im Genitalbereich.«
Womöglich war es eine Art Schutzreflex ihres Verstands, der diese Information umgehend in ein Puzzlestück verwandelte, das Katja in ihre bisher getroffenen Vermutungen einzufügen versuchte. Eine Verstümmelung im Genitalbereich. War das ein Hinweis auf das Motiv des Täters? Stammte er aus dem Rotlichtmilieu, in dem Frieder sich heimlich herumgetrieben hatte? War der Mord die Strafaktion eines völlig skrupellosen Zuhälters, der mit ihrem Onkel buchstäblich eine Rechnung offen hatte? Oder dafür, dass ihr Onkel selbst einer der Frauen, zu denen er gegangen war, etwas angetan hatte? Nein, darüber wollte und konnte sie jetzt nicht nachdenken. Da war schließlich noch eine andere neue Sache, die ihr Rätsel aufgab. Sie stellte
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