Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
ungewöhnliche Strategie, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen: Anstelle selbst mit Bernd in den Laden zu gehen, schickte er seine Tochter, eine junge Frau etwa in Katjas Alter, die ihr Haar in einem blasspink gefärbten Pagenschnitt trug. Bernd war das nur recht: Sie machte alles in allem einen wesentlich entspannteren Eindruck als ihr Erzeuger.
Auf ihre Frage, wie sie ihm helfen könne, antwortete Bernd, sie möge ihm doch bitte zeigen, wo die Bildbände stünden. Die Auswahl war überschaubar: Neben den obligatorischen Publikationen mit großformatigen Landschaftsaufnahmen, die die Sehnsüchte nach fernen und nicht ganz so fernen Naturschönheiten befriedigen sollten – Toskana, Neuseeland, Irland –, und den üblichen Verdächtigen im Bereich Regionales – kitschige Reisen entlang der Elbe, gischtumtoste Leuchttürme, stolze Schiffe – gab es noch die breite Rubrik Vermischtes. Auf diese Sparte konzentrierte Bernd seine Suche nach einem geeigneten Geschenk für Klaus Möllner. Es war nicht nur Teil von Bernds Masche, möglichst schnell an seine eigentlich angestrebte Lektüre zu kommen. Er verspürte wirklich ein dumpfes Schuldgefühl gegenüber Klaus, seit ihm zum ersten Mal bewusst geworden war, wie attraktiv er dessen Frau fand. Eine Geste der Wiedergutmachung schien ihm da dringend angebracht, selbst wenn Klaus nicht begreifen würde, auf welchem Motivsie fußte. Ein anderer Mann hätte in einer vergleichbaren Situation womöglich Verdacht geschöpft, doch diese Gefahr sah Bernd bei Klaus nicht. Dafür hatte sein Unfall schon gesorgt. Letztlich entschied sich Bernd für einen dicken Band mit dem Titel ›Die Jagd‹, der von Tieren über Flinten bis hin zu Porträts berühmter Großwildjäger all das optisch ansprechend aufbereitete, was einem gestandenen Waidmann das Herz höher schlagen ließ.
Da nun dem Vorwand, den er vorgeschoben hatte, um in den Buchladen hineinzukommen, Genüge getan war, erkundigte sich Bernd bei der Verkäuferin nach Büchern zum Thema religiöse Symbolik. Vorrätig hatte sie dazu nichts, doch sie durchforsteten gemeinsam über eine halbe Stunde das Bestellprogramm ihres Rechners nach vielversprechenden Titeln. Ihre ohnehin gute Laune wurde besser und besser, je öfter Bernd ihr auftrug, dieses oder jenes Buch doch bitte für ihn zu bestellen. Zum Schluss hatte er das Gefühl, seine eigene kleine Fachbibliothek angelegt zu haben. Vorsichtshalber horchte er nach, ob es eine Möglichkeit gab, von hinten mit dem Auto an den Buchladen ranzufahren, weil er keine Lust hatte, am nächsten Tag schätzungsweise zwanzig Kilo Gedrucktes durch die Fußgängerzone zu schleppen. Das Glück war ihm ein zweites Mal hold. Das Haus hatte einen Hintereingang zu einer Straße hin, die nicht verkehrsberuhigt war.
Er ließ sich den Bildband als Geschenk einpacken und stromerte noch einmal an den Regalen vorbei. Vor den historischen Schmonzetten blieb er wie vom Donner gerührt stehen. Er brauchte noch etwas für Veronika. Sie war schlau. Sie würde eventuell den Braten riechen, wenn er Klaus etwas mitbrachte und ihr nichts.
»Kann ich sonst noch was für Sie tun?«, fragte die Verkäuferin.
»Äh, ja. Ich bräuchte noch ein Geschenk.« Er zupfte sich an den langen Stoppeln an seinem Kinn. »Für eine Frau.«
»Wie alt? Und was liest sie sonst so?«
»So ungefähr mein Alter.« Die zweite Frage lieferte ihm eine ernüchternde Erkenntnis: Was wusste er eigentlich über Veronika? Nicht viel. Streng genommen hatte er sich in eine Unbekannte verknallt. Nun ja, es war nicht das erste Mal. Und es gab schlimmere amouröse Verwicklungen, in die man hineingeraten konnte: zum Beispiel sich plötzlich in jemanden zu verlieben, den man bereits Jahre kannte und der an den besten Freund vergeben war. Das war eine komplizierte Situation gewesen, und er war sich bis heute nicht sicher, ob er und die anderen beiden Beteiligten sie klug gelöst hatten.
»Mit einem Krimi können Sie nicht viel falsch machen«, erhielt er eine freundliche Empfehlung, an die er sich schließlich hielt, obwohl er keine Ahnung hatte, ob er damit Veronikas Geschmack traf oder nicht.
58
Der bullige Taxifahrer drückte ein Knöpfchen an der Seite des Taxameters. »Das macht dann achtfünfzig.«
Katja reichte ihm den zusammengefalteten Zwanziger, den ihr Bernd aufgedrängt hatte. »Zehn.«
»Danke.« Er wühlte in seinem Portemonnaie nach einem Zehner. »Kann ich Ihnen meine Karte geben? Dann können Sie mich anrufen, wenn Sie
Weitere Kostenlose Bücher