Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
nachher wieder zurückwollen.«
»Ich fahre mit einem Freund zurück«, musste ihn Katja enttäuschen, nahm aber trotzdem eine Karte von ihm.
Sie stieg aus. Das Taxi wendete in einem großen Bogen, rumpelte über den Waldweg, der zur Landstraße nach Güstrin führte, und verschwand hinter der nächsten Biegung zwischen den Bäumen. Katja sah sich auf dem Schotterparkplatz um. Außer Thilos heruntergekommenem Toyota warkein anderer Wagen hier abgestellt. Der Treffpunkt, den er mit ihr vereinbart hatte, war ein ungewöhnlicher. Sie suchte nach dem Schild am Rand des Parkplatzes, das er erwähnt hatte, und folgte einem schmalen Pfad in den Wald hinein. Zum Glück trug sie Sneakers, denn der Boden war hier an vielen Stellen, die vom Blätterdach vor der Sonne geschützt waren, trotz der seit Tagen andauernden Trockenheit matschig. Nur das Raunen des Windes in den Kronen begleitete sie auf ihrem Weg tiefer in den Wald hinein, und nach einigen Minuten befiel Katja ein deutliches Unbehagen. Sie begann, genau auf jeden wippenden Zweig, jede huschende Bewegung im Unterholz, jedes Ächzen der flechtenüberwucherten Stämme zu achten. Sie war hier völlig allein. Was, wenn sie doch zu leichtsinnig auf den Drohanruf von letzter Nacht reagierte? Was, wenn jemand ihr heimlich gefolgt war? Dann wäre das im Moment hier die optimale Gelegenheit, sie verschwinden zu lassen. Wer würde sie hier schreien hören? Thilo vielleicht. Aber auch nur dann, wenn sich ihr Widersacher nicht von hinten an sie heranschlich und ihr bei seinem Angriff den Mund zuhielt, während er auf ihren Rücken einstach. Oder den Arm um ihren Hals legte, um sie zu ersticken. Er könnte sie auch woandershin schaffen, an einen Ort, wo er sie noch eine Weile foltern und quälen konnte, ehe er sie mit Benzin übergoss und bei lebendigem Leib verbrannte.
Sie wirbelte herum, weil sie glaubte, hinter sich ein leises Knacken gehört zu haben. Doch da war nichts zu sehen außer Bäumen und noch mehr Bäumen. Warum war sie so blöde gewesen, sich nicht von Thilo am Parkplatz abholen zu lassen? Tolle Idee, nur leider viel zu spät. Sie suchte neben dem Pfad nach irgendeiner Art von behelfsmäßiger Waffe und fand einen kräftigen kahlen Ast, der beim letzten Sturm abgerissen worden war. Sein Gewicht und die Rauheit seiner Borke verliehen ihr ein wenig mehr Zuversicht, unbeschadet am mit Thilo verabredeten Treffpunkt anzukommen.
Sie beschleunigte das Tempo, bis sie vom zügigen Gehen in ein echtes Laufen verfiel. Sie schlug sich mehrfach den Ast gegen die Knie, doch es störte sie nicht. Der leise Schmerz hielt sie wachsam. Als die Luft um sie herum zäher zu werden schien und ihr die Muskeln in den Oberschenkeln zu brennen begannen, lichtete sich der Wald vor ihr. Eine Handvoll Findlinge, grünlich und verwittert, ragten in einem kruden Kreis hüfthoch aus dem Erdboden. Ein größerer Fels ruhte auf ihren abgerundeten Spitzen und bildete so eine Art Abdeckung für den niedrigen, düsteren Raum darunter. Auf der Platte des Hünengrabs saß im Schneidersitz Thilo, den Kopf gesenkt, die Hände im Schoß.
Katja wollte schon nach ihm rufen, da blickte er auf. »Bist du gelaufen?«
»Mir war danach.« Schwer atmend warf sie den Ast beiseite, um nicht ganz so lächerlich auszusehen, wie sie sich fühlte. »Ich hätte nur nicht gedacht, dass es vom Parkplatz aus so weit ist.«
Er lächelte und klopfte mit der flachen Hand neben sich auf den Stein. »Dann setz dich doch und ruh dich erst mal aus.«
»Nichts lieber als das.« Sie kletterte zu ihm. Der rissige Stein war kalt, aber trocken.
Er drehte sich nach seiner Umhängetasche um, die er hinter sich abgelegt hatte, und bot ihr Wasser aus einer Plastikflasche mit Sportverschluss an. »Magst du was trinken?«
Sie mochte. Das Wasser schmeckte ihr einen Tick zu salzig, aber jetzt war nicht der Moment, um wählerisch zu sein.
»Tut mir leid, dass ich dich hier in die Wildnis entführt habe«, sagte er. »Aber das war ein Ort, an dem Julia und ich früher gern waren.«
Die Erwähnung seiner kleinen toten Schwester sorgte dafür, dass Katja die Kälte des Steins noch schneller in die Knochen kroch.
»Heute ist ihr Todestag.«
»Oh. Wenn ich das gewusst hätte, dann – «
»Vergiss es.« Er streckte die langen Beine aus und pflückte sich ein verirrtes Blatt von der Hose. »Das muss man akzeptieren lernen. Dass dieses Datum für die meisten anderen Leute nur ein Tag wie jeder andere auch ist. Mach dir keine Gedanken
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