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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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Salden verschwunden –, und mit ihr der Diamant. Und seither gibt es von beiden keine Spur.«
    Ruth nickte. Ganz langsam fanden die Worte ihre Bedeutung, ganz langsam begriff sie, was sie gehört hatte. Es war, als lichte sich der dichte Nebel um sie herum allmählich. Sie hörte, dass Horatio etwas murmelte, etwas das wie »Das Feuer der Wüste« klang, doch Ruth schenkte dem keine Beachtung. Sie zog den Band erneut zu sich, entdeckte das Foto einer Frau, die einen Säugling auf dem Arm hielt. »Margaret Salden, Frühjahr 1904«, hatte ein Reporter in der Bildunterschrift erklärt.
    »Margaret Salden«, flüsterte Ruth, betrachtete das vergilbte, grobkörnige Foto, fuhr mit dem Finger langsam über das bleiche Gesicht der Frau mit den langen, wilden Haaren. »Meine Großmutter.«
    »Sie sehen ihr sehr ähnlich. Wie aus dem Gesicht geschnitten. Als wäre sie Ihre Zwillingsschwester.«
    Ruth nickte, lächelte und empfand auf einmal Zärtlichkeit für die junge Frau mit dem Baby. »Was hat der Artikel zu bedeuten?«, fragte sie.
    Horatio wich ihrem Blick aus. Ruth war zu aufgeregt, um darin etwas zu deuten. Sie ließ sich nur einige Blatt Papier geben, dazu einen Stift. Dann schrieb sie den Artikel Wort für Wort ab. Horatio, der unterdessen in einigen anderen Büchern herumblätterte, schenkte sie keine Beachtung. Sie merkte nicht, wie er aufstand und mit der Frau von der AZ sprach, hörte auch nicht, wie er noch einmal vom »Feuer der Wüste« redete.
    Sie war noch immer aufgewühlt, als sie eine Stunde später mit ihm vor dem Bahnhof stand. »Ich muss zu Davida Oshohas Familie«, sagte sie. »Vielleicht weiß die mehr über meine Großmutter.«
    »Auch ich möchte dorthin«, erklärte Horatio kurz.
    Ruth runzelte die Stirn. »Warum? Was haben Sie dort zu tun? Kannten Sie die Familie?«
    Horatio schüttelte den Kopf, murmelte etwas von Recherchen zum Nama- und Hereroaufstand, murmelte etwas von Zeitzeugen, die er befragen müsse, und erklärte dann: »Also gut. Am Samstag findet dreißig Meilen südlich von Gobabis, im Heimatdorf von Davida Oshoha, die Gedenkfeier statt. Wenn Sie wollen, könnten wir zusammen dorthin fahren.«
    Ruth lächelte. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ist es Ihnen recht, wenn ich Sie am Bahnhof von Gobabis abhole?«
    Der Schwarze nickte, und dann reichte Ruth ihm die Hand und besiegelte das neue Bündnis auf die gleiche Art, wie sie sonst ein Geschäft besiegelte.

Fünftes Kapitel
    W enige Stunden, nachdem Ruth sich von Horatio verabschiedet hatte, verließ sie in Gobabis den Bahnhof und blieb einige Augenblicke vor der Halle stehen. Sie sog die Luft ein, den gewohnten Geruch von Weite, von Busch, ein wenig von Staub und vertrocknetem Gras. Sie atmete tief ein und aus und spürte, wie die Hektik, der Lärm und der Dreck der Großstadt von ihr abfielen. In Windhoek hatte sie sich die ganze Zeit über klebrig gefühlt. Jetzt fühlte sie sich sauber. Sogar ihre Unsicherheit, ihre Ängste wurden hier, so nahe der Farm, kleiner.
    Sie warf ihre Tasche auf die Ladefläche des Bakkies, der auf dem Bahnhofsvorplatz unter einer Schirmakazie geparkt war, und fuhr über die Schotterpad zurück nach Salden’s Hill. Es war inzwischen später Nachmittag, und die Sonne stand so niedrig am Himmel, dass die Bäume lange Schatten warfen. Ein paar Wolkenfetzen fegten über das glasklare Himmelsblau. Ruth ließ sich von ihrem zierlichen, verspielten Aussehen nicht täuschen und gab Gas. Sie musste sich beeilen. Bald würden die Wolken sich zu Türmen zusammenballen, sich schwarz färben und mit einem gewaltigen Regenguss die Pad in einen Sumpf verwandeln.
    Ruth wollte singen, doch die Unbeschwertheit, mit der sie sonst von Gobabis nach Salden’s Hill fuhr, wollte sich heute nicht einstellen. Sie kniff die Augen zusammen. Wie immer zur Regenzeit schien die Sonne auch heute besonders grell. Die Luft war so klar wie Glas. Alles war wie mit dem Zirkel umrissen, und auch die Hügelketten, die sich am Horizont abzeichneten, hatten mit einem Mal scharfe Kanten.
    Endlich kam sie an das Tor, auf dem ein gelbes Schild mit grüner Schrift verriet, dass hinter ihm der Zugang zur Farm ihrer Familie lag. Sie stieg aus, öffnete das Tor, leerte den Briefkasten und fuhr weiter bis zum Haus.
    Mama Elo und Mama Isa saßen auf der Loggia, jede vor sich einen Korb mit Bohnen und ein scharfes Messer. Ruth küsste die beiden Frauen, ließ sich seufzend in den Korbstuhl fallen, sah sich um und

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