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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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aufrechnen, wer wann was wo und wie wem angetan oder zu verdanken hat. Es ist nicht so einfach, Ruth, wie Sie das sehen. Die Straßen, Eisenbahn, Schulen und Ärzte haben wir um den Preis unserer Kultur und unserer Identität bekommen. Wir haben die Weißen nicht gerufen. Wir haben Eisenbahnen, Straßen, Schulen und Ärzte nicht vermisst. Wir haben unser Vieh gehütet, und die Alten haben den Jungen beigebracht, was sie wissen mussten. Unsere Schule war das Leben. Und wenn es jemandem von uns schlecht ging, waren die Schamanen für uns da. Nein, Ruth, wir waren glücklich ohne die Weißen. Jetzt aber sind sie da und erwarten von uns, dass wir so leben wie sie. Tun wir es nicht, halten sie uns für faul. Niemand will verstehen, dass wir einfach anders sind. Nicht besser, nicht schlechter. Nur anders.«
    Ruth seufzte. »Reden Sie nicht so viel. Stehen Sie lieber auf und helfen Sie mir, unsere Sachen ins Auto zu laden. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns und keine Zeit für so einen Mumpitz. Jedenfalls nicht jetzt.« Sie schämte sich und hatte bewusst verletzende Worte gesucht. Sie wusste genau, was die Weißen den Schwarzen angetan hatten, was sie ihnen noch immer antaten, indem sie ihre Lebensart nicht akzeptierten und meinten, die einzig richtige Art zu leben wäre die der Weißen.
    Schweigend sammelte Ruth die Sachen zusammen, verstaute sie ordentlich unter der Plane des Pick-ups und setzte sich ans Steuer. »Wollen Sie noch immer mit mir nach Lüderitz, oder soll ich Sie lieber am nächsten Truckstop rauslassen?«
    »Auf nach Lüderitz«, erklärte Horatio. »Worauf warten wir noch?«

Siebtes Kapitel
    S ie waren viele Stunden lang gefahren und hatten unterwegs nur zwei Mal gehalten, um zu tanken. Obwohl noch heller Tag war, senkte sich Düsternis über das Land. Dunkle Wolken jagten über den Himmel, bauten sich am Horizont zu gelbschwarzen Türmen auf.
    »Es wird ein Unwetter geben«, sagte Ruth. »Wir müssen sehen, dass wir rechtzeitig eine Herberge in einer kleinen Stadt erreichen oder auf einer Farm unterkommen.«
    Horatio sah sich um. »Hier draußen ist nichts: keine Farm, keine Stadt, nicht einmal ein Eingeborenendorf. Wir befinden uns mitten im Veld. Es würde mich nicht wundern, wenn wir die Ersten wären, die heute hier entlanggekommen sind. Ich sehe nicht einmal Vieh auf den Weiden, keine Windräder, von Häusern und Höfen ganz zu schweigen.«
    »Wo sind wir genau?«
    »Am Rande der Kalahari. Wohin man auch blickt, nichts als Sand, rötlicher Sand, dazwischen ein paar Sträucher, vertrocknete Grasbüschel und verdorrtes Holz. Es ist unglaublich heiß, finden Sie nicht?«
    »Das ist in der Wüste so«, erwiderte Ruth trocken, doch ihre Bluse klebte am Rücken, zwischen ihren Brüsten liefen kleine Rinnsale von Schweiß, das Armaturenbrett war von Sand bestäubt. Sie tippte auf die Straßenkarte, die hinter der Augenblende über dem Beifahrersitz steckte. »Die Kalahari ist riesig. Ich wollte eigentlich wissen, wo genau wir uns befinden, welche Ortschaft als nächstes kommt, ob es in der Nähe eine Farm gibt oder wenigstens einen Truckstop.«
    Horatio angelte nach der Karte, entfaltete sie umständlich. »Vor einer Stunde sind wir durch Kalkrand gekommen. Die nächste Ortschaft müsste also Mariental sein. Es sind noch rund zwei Stunden bis dorthin.«
    Ruth sah auf die Wolken, deren Ränder sich mittlerweile schwefelgelb gefärbt hatten. »Das schaffen wir nicht. Der Regen wird uns einholen. Dann weicht die Pad so auf, dass wir keine Meile mehr vorwärtskommen.« Im selben Augenblick kam eine Windböe auf, zerrte an dem dürren Steppengras, trieb Sandwolken vor sich her.
    »Was sollen wir also tun?«, fragte Horatio.
    Ruth warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Was schon? Wir suchen eine Farm. Sie halten an den Straßenrändern Ausschau nach einem Schild, klar?«
    »Yeap.«
    Der Wind wurde von Minute zu Minute stärker, zwang die wenigen zerrupften Sträucher am Straßenrand, sich gen Boden zu neigen, wirbelte Sandschwaden vor die Windschutzscheibe und behinderte die Sicht. Ruth war auf dem Fahrersitz inzwischen so weit nach vorn gerutscht, dass sie mit der Nase fast an der Scheibe klebte. Windhosen wirbelten den Sand der Kalahari meterhoch auf. Es war, als führen sie durch dichten roten Nebel.
    »Sehen Sie immer noch kein Schild? Geht nirgendwo eine Straße ab?« Ruth musste schreien, um das Brüllen des Windes zu übertönen.
    »Da vorn. Da steht eins.«
    »Wo?«
    »Hier rechts.«
    Ruth bremste.

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