Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
Vom Netzwerk:
ganz anders vorgestellt habe.«
    Ruth kniff ein wenig die Augen zusammen. »Wie denn? Wie muss Ihrer Meinung nach eine Farmerin aussehen?«
    Der Mann lachte wieder, und erneut bemerkte Ruth die Grübchen in seiner linken Wange. »Ich weiß es gar nicht genau, irgendwie groß und breitschultrig, mit Cowboystiefeln und Hut, dazu ein rot-weiß-kariertes Hemd und ein Tuch um den Hals. Und mit lauter Stimme. Wissen Sie, laut vom Anschreien der Tiere und ein bisschen rau von den vielen Zigaretten, auf die sie noch nicht einmal beim Reiten verzichten kann. Und dann der Gang. Sehen Sie?«
    Er stand auf, winkelte die Arme etwas ab und lief mit gespreizten Beinen ein paar Schritte durch das Café.
    Ruth musste lauthals lachen. »Nein, so bin ich nicht. Aber es gibt solche Farmerinnen, das stimmt. Kathi Markworth, unsere Nachbarin, ist so.« Ruth beugte sich ein wenig nach vorn und flüsterte kichernd: »Sie spuckt sogar auf den Boden und säuft jeden Schafscherer unter den Tisch.« Ruth genoss das Gespräch immer mehr. Die Spannung fiel von ihr ab, Leichtigkeit machte sich breit.
    »Das kann ich mir bei Ihnen überhaupt nicht vorstellen. Ich sehe Sie mit wehendem Haar auf einem Pferd. Elegant und kraftvoll. Wie eine Amazone. Und wenn Sie absitzen, dann tun Sie das mit Anmut, während Ihre Nachbarin Kathi wahrscheinlich wie ein nasser Sack vom Pferd plumpst und dabei mordsmäßige Flüche ausstößt. Und ich wette, Ihre Bierflasche halten Sie so, wie die vornehmen Frauen in Windhoek und Swakopmund ihre Champagnergläser halten.«
    Wieder musste Ruth lachen. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das stimmt nicht. Ich bin auch eine Farmerin, die mit den Schafscherern auskommen muss. Ich bin es gewohnt, Säcke zu schleppen und Zäune zu reparieren. Und ich trinke gerne Bier, am liebsten aus der Flasche. Mit Champagner dagegen kann ich wenig anfangen.«
    Sie sah auf ihre Hände und bemerkte unter dem Zeigefinger der rechten Hand eine winzige Schmutzspur. »Können Sie sich vorstellen, dass ich mir noch nie im Leben die Nägel lackiert habe?«, fragte sie und wunderte sich über sich selbst. Wie kam es, dass sie diesem Fremden so intime Details aus ihrem Leben erzählte? Das hatte sie noch nie getan. Die Verwirrung in ihrem Kopf schien stärker zu sein, als sie gedacht hatte.
    Der Mann langte über den Tisch, nahm ihre Hand in die seinen und betrachtete sie. »Es wäre eine Verschwendung, wenn Sie das täten. Sie haben wunderschöne Hände mit Fingern wie eine Pianistin.«
    Ruth entzog ihm ihre Hand. Der Mann machte sie verlegen, sehr verlegen sogar. Doch sie fühlte sich wohl in seiner Nähe. Er strahlte eine Unbeschwertheit, eine Leichtigkeit aus, die Ruth nicht einmal aus ihrer frühen Jugend kannte, aber bei ihren Altersgenossen immer bewundert hatte.
    »Was machen Sie in Lüderitz?«, fragte Ruth, um ihre Verlegenheit zu überspielen.
    »Oh, ich lebe und arbeite hier.« Er beugte sich zu ihr herüber. »Ich bin sogar hier geboren. Ein echter Lüderitzer sozusagen.«
    »Und wo arbeiten Sie?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe Jura studiert wie mein Vater und dessen Vater. Jetzt arbeite ich für den Diamond World Trust in der Rechtsabteilung. Sie sehen, nichts Aufregendes. Jeden Tag Akten, jeden Tag Staub schlucken. Ich wette, Ihre Arbeit auf der Farm ist sehr viel abwechslungsreicher und unterhaltsamer.«
    »Wenn man Ihnen zuhört, meint man fast, Sie wünschen sich insgeheim, ein Farmer zu sein«, stellte Ruth fest.
    Der Mann erwiderte nichts, deutete nur auf Ruths leeres Colaglas. »Darf ich Sie zu etwas einladen? Ich habe mich lange nicht mehr so gut mit einer schönen Frau unterhalten. Sie haben ein Strahlen um sich, hat Ihnen das noch niemand gesagt?«
    Ruth griff verlegen nach einer Haarsträhne. Horatio hatte so etwas gesagt. Aber ach, Horatio. Wer wusste schon, ob das nicht auch nur eine Lüge, eine Unaufrichtigkeit gewesen war? »Einen Kaffee hätte ich gern noch.«
    »Mit größtem Vergnügen.«
    Sie saßen eine kleine Weile schweigend an dem kleinen Tisch, bis die Kellnerin die Getränke gebracht hatte. Ruth sah aus dem Fenster, und einmal schien es ihr, als würde sie in der Menge draußen Horatios Gesicht mit den großen Brillengläsern entdecken.
    »Was führt Sie weg von Ihrer Farm und her nach Lüderitz?«, fragte der Mann. »Es heißt, die paar Touristen, die wir haben, machten lieber einen Bogen um unsere Stadt. Es gäbe hier nichts zu sehen, steht in den Reiseführern. Was also machen Sie hier?«
    Das

Weitere Kostenlose Bücher