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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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weiß ich selbst nicht so genau, dachte Ruth und sagte: »Wollen wir uns nicht erst miteinander bekannt machen?«
    »Oh, ich bitte um Entschuldigung. Henry Kramer ist mein Name.« Der Mann war aufgestanden und nahm behutsam Ruths Hand, die sie ihm entgegenstreckte. »Henry Kramer, zweiunddreißig Jahre alt, Jurist, ledig, Schuhgröße dreiundvierzig. Möchten Sie noch etwas wissen?«
    Ruth lachte und schüttelte den Kopf. Dann sagte sie: »Ich heiße Ruth Salden, bin Farmerin und trage am liebsten derbe Arbeitsstiefel. In High Heels kann ich nicht laufen.«
    »Dazu sind sie auch nicht da, diese hohen Dinger, wussten Sie das nicht?«
    »Nein.«
    »High Heels«, dozierte Henry Kramer, »haben schwache Männer für starke Frauen erfunden. Die Frauen sollen darin ja gar nicht laufen können, sie sollen sich auf den Armen der Männer abstützen, sich auf die Manneskraft verlassen.«
    »Oh, gut zu wissen. Ich werde ab sofort meine weißen Pumps also nur noch tragen, wenn ich mit einem Mann ausgehe.«
    »So ist es gedacht. Haben Sie nicht Lust, Ihre Schuhe heute Abend zum Essen auszuführen? Ich kenne da ein wunderbares Lokal, in dem es die besten Austern und Langusten gibt.«
    Ruth verzog den Mund. »Ich glaube nicht, dass meine weißen Schuhe so sehr auf Austern stehen.«
    »Ich wünsche mir jedenfalls, die Herrin der weißen Schuhe einmal so richtig verwöhnen zu können.« Henry Kramer sah Ruth tief in die Augen.
    Ihr war, als streichle er mit seinen Blicken ihr Gesicht. Wieder wusste sie vor Verlegenheit nicht, was sie sagen oder machen sollte, also huschten ihre Finger über den Tisch und zerrupften das Zuckertütchen, das eigentlich für den Kaffee gedacht war.
    »Sie können es sich ja noch überlegen«, kam ihr der Mann zu Hilfe. »Ich werde jedenfalls pünktlich um acht Uhr hier auf Sie warten.«
    Ruth nickte, froh, um eine Entscheidung herumgekommen zu sein. Sie trank ihren noch heißen Kaffee beinahe in einem Schluck und verabschiedete sich dann eilig. »Ich muss los, ich habe noch einige Dinge zu erledigen.« Sie wusste selbst nicht genau, was sie forttrieb, wahrscheinlich ihre Verlegenheit. Noch nie hatte ein Mann so mit ihr geflirtet.
    »Schade«, erwiderte Henry Kramer galant. »Umso mehr hoffe ich, Sie heute Abend als meinen Gast wiederzusehen. Sie ahnen ja gar nicht, welchen Reiz diese kleine Stadt bei Mondschein hat.«
    Ruth runzelte die Stirn.
    »Oh, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich wollte Ihnen auf gar keinen Fall zu nahe treten. Es ist nur so, wie ich Ihnen vorhin schon sagte: Mit wenigen Frauen kann man sich so gut unterhalten wie mit Ihnen. Und wenn Ihnen Lüderitz gefällt, wenn ich Ihnen die schönsten Seiten der Stadt zeige, nun, vielleicht kommen Sie dann bald einmal wieder hierher.«
    Ruth fühlte die Röte in ihre Wangen schießen. Sie wandte sich ab und verließ wortlos das Café. Sie war kurz versucht, noch einen Blick durch das große Fenster hineinzuwerfen, Henry Kramer vielleicht sogar zu winken, doch sie wagte es nicht, stolperte weiter und steuerte direkt ein Schuhgeschäft auf der noch immer belebten Bismarckstraße an.
    Sie ließ sich von einer schlechtgelaunten Verkäuferin beraten und kaufte sich schließlich ein Paar schwarze Schuhe, vorn sehr spitz und hinten mit einem Pfennigabsatz versehen. Obwohl die Schuhe nicht besonders hoch waren, konnte Ruth in ihnen nur mit Mühe laufen. Doch was sie normalerweise selbstkritisch beobachtet und kommentiert hätte, störte sie jetzt nicht. Ruth war von einer ihr bislang unbekannten, aufgeregten Heiterkeit erfüllt. Sie dachte an nichts als den Abend. Einen Abend, an dem sie mit Henry Kramer bei Kerzenlicht Austern schlürfen würde …
    Sie unterbrach ihre Träume abrupt, als ihr siedend heiß einfiel, dass sie für eine solche Gelegenheit nichts zum Anziehen hatte. Sie blieb vor einem Schaufenster stehen, die Tüte mit den neuen Schuhen in der Hand, und entdeckte ein rotes Kleid, das demjenigen ähnelte, das Corinne immer getragen hatte, wenn sie früher zum Tanz gegangen war. Der Preis auf dem Schildchen erschreckte sie zwar, doch dann hob sie trotzig das Kinn. Sagt Rose nicht immer, ich habe viel zu wenige Kleider?, machte sie sich Mut. Dann betrat sie entschlossen den Laden.
    Staunend sah sie sich um. In solch einem edlen Geschäft war sie noch nie gewesen. Die Wände waren mit goldenen Stangen versehen, an denen Kleider in jeder Farbe hingen, Blau, Schwarz, Weiß, Rot und sogar Gelb. Einige der Kleider reichten bis auf den

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