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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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geworden, hätte gern nach ihrer Kette mit dem Feuerstein, dem Sehnsuchtsstein gegriffen. Aber dann erinnerte sie sich, dass sie ihn auch heute Abend wieder im Schuhkarton unter ihrem Bett verstaut hatte, weil er ihr nicht vornehm genug erschien. Sie runzelte die Stirn, löste ihre Hand aus Henrys und legte sie in den Schoß. »Was ist?«
    »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, ohne dich zu verletzen, Liebling, aber ich habe in alten Listen den Namen deiner Großmutter gefunden.«
    »Aha. Sprich weiter.« Ruths Herz schlug angstvoll gegen ihre Brust. Unbehagen breitete sich in ihr aus.
    »Na ja, sie hat dem Unternehmen einen Diamanten zum Kauf angeboten, das ›Feuer der Wüste‹.«
    »Ach ja?« Sie hat getan, was ich auch getan hätte, dachte Ruth beruhigt.
    »Ja. Damals war es nicht möglich, den Wert eines Steins sofort zu bestimmen; die Diamantenbörse in Antwerpen musste hinzugezogen werden. Das hat seine Zeit gedauert. Das Unternehmen, damals noch allein in deutscher Hand, hat Margaret Salden vertröstet, ihr einen neuen Termin gegeben.«
    »Und?«
    »Sie ist zu diesem Termin nicht erschienen.«
    »Ist das alles?« Ruths Hände verkrampften sich. Sie fühlte sich wie bei einem Arzt, der im Begriff war, eine schwerwiegende Diagnose zu verkünden.
    »Nein, das ist leider nicht alles. Erkundigungen haben ergeben, dass Margaret Salden den Stein an einen Unbekannten verkauft hat, und zwar für sehr, sehr viel Geld. Damit hat sie sich eine Schiffspassage nach Europa gekauft. Die Deutsche Diamantengesellschaft hat einige Briefe nach Deutschland geschrieben, doch deine Großmutter und das ›Feuer der Wüste‹ sind nach wie vor verschollen. Es gilt aber als sicher, dass sie in Deutschland unter einem neuen Namen ein neues Leben begonnen hat.«
    Obwohl sie nicht glaubte, was sie gerade gehört hatte, nickte Ruth. Was sollte Margaret Salden in Deutschland? Und wenn sie tatsächlich dorthin gegangen war, warum hatte sie Rose nicht später zu sich geholt? Nein, sie konnte nicht glauben, was Henry erzählte. »Aber wie kann es dann sein, dass ein schwarzer Namajunge eine Elfenbeingemme mit ihrem Bild um den Hals trägt?«, fragte sie nach.
    Henry Kramer hob die Hand und strich Ruth über das Gesicht. Ruth wich zurück. »Sag! Wie kann das sein?«
    »Ich weiß es nicht. Die Nama sind – wie bekanntermaßen alle Schwarzen – tückisch. Wer weiß, was für Lügen der Junge dir erzählt hat? Das Bildnis mag alt sein; er kann es gefunden haben.«
    Ruth schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Elfenbein vergilbt mit der Zeit. Seine Gemme aber war weiß wie ein frisches Hühnerei.«
    »Nun, vielleicht trägt er das Bildnis auch als Schutz vor einem bösen Zauber? Deine Großmutter hat immerhin die Seele der Nama gestohlen. Für die naiven Schwarzen muss sie der Teufel persönlich sein. Womöglich denken sie: ›Teufel erkannt, Teufel gebannt‹, und tragen deshalb die Gemme, haben sie nach ihrer Erinnerung geschnitzt.«
    Nein! Nein, das konnte nicht sein. Ruth sah zum Himmel, der nun kein schwarzsamtenes Glitzerkleid mehr trug, sondern nur noch Sterne, die Millionen von Jahren entfernt waren. Sterne, die es vielleicht schon gar nicht mehr gab.
    »Ruth? Ruth? Warum sagst du nichts? Glaubst du mir etwa nicht? Ich habe dir nur erzählt, was in unseren Akten steht.«
    »Glauben heißt nicht wissen. Ich war nicht dabei; ich kenne meine Großmutter nicht. Woher soll ich wissen, was stimmt?«
    Der Zauber des Abends war nun gänzlich verflogen. Ruth fühlte sich auf eine Art betrogen, die sie nicht benennen konnte. Plötzlich hatte sie Heimweh, Sehnsucht nach ihrem normalen Leben, nach der Farm, nach Klette, nach Mama Elo und Mama Isa.
    »Du solltest jedenfalls unter keinen Umständen in das Dorf in der Namib fahren«, sprach Henry weiter. Er schien Ruths Stimmungswechsel nicht zu bemerken. »Es kann sein, dass die Schwarzen dich dort für den Teufel halten oder den bösen Geist oder sonst irgendetwas Böses, an das sie glauben, das für ihre Situation herhalten muss. Es kann sogar sein, dass sie dich töten, wenn sie dich sehen.«
    Ruth nickte abwesend. Sie wusste nicht, wie sie auf Henrys Enthüllungen reagieren sollte. Ihre Großmutter sollte eine Verbrecherin sein? Eine Frau, die ihr Kind ohne Grund im Stich lässt und sich heimlich mit einem Diamanten aus dem Staub macht? Ruth konnte und wollte sich das nicht vorstellen. Andere Großmütter mochten so handeln, nicht aber die ihre.
    »Ruth?«
    Sie schrak

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