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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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aus ihren Gedanken. Für einen Augenblick hatte sie vollkommen vergessen, dass es Henry gab.
    »Ja? Hast du noch mehr Dinge erfahren, von denen ich nicht weiß, ob ich sie wirklich wissen will?«
    Er neigte den Kopf leicht zur Seite und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob es etwas zu bedeuten hat, aber ich mache mir schon ein wenig Sorgen um dich. Man erzählt sich im Unternehmen, dass einige Nama nach dem Verbleib des Diamanten forschen. Das tun sie immer mal wieder. Ihr ›Feuer der Wüste‹ hat für sie eine große Bedeutung. Sie würden für den Stein töten. Sie haben seinetwegen sogar schon getötet. Es ist gerade fünf Jahre her, dass es hier in Lüderitz sogar zu einer richtigen Schlacht zwischen zwei verfeindeten Namastämmen kam, die jeder für sich den Stein zurückholen wollten. Und nun ist wieder jemand aufgetaucht, der zu viele Fragen stellt. Er gibt sich als Historiker aus, ein Schwarzer mit dicker Brille.«
    »Was ist ungewöhnlich daran, dass ein schwarzer Historiker nach alten Geschichten sucht?«
    »Natürlich, seine Nachforschungen könnten auch harmlos sein«, lenkte Henry ein. »Harmlos und im Dienste der Wissenschaft. Aber er hat sich heute Nachmittag mit anderen Schwarzen getroffen, die einen schwarzen Chevrolet-Pick-up fahren und gestern bei einem südafrikanischen Händler heimlich Waffen gekauft haben. Außerdem haben sie Proviant für eine Wüstentour eingekauft, dazu ein Dutzend gefüllte Benzin- und Wasserkanister.«
    »Vielleicht besuchen sie Verwandte?«
    »Mit Waffen auf der Rückbank?«
    »Es könnte eine Schwiegermutter dabei sein«, versuchte Ruth einen Scherz.
    »Sei nicht albern, Ruth! Ich will nur dein Bestes. Ich möchte auf jeden Fall vermeiden, dass dir etwas zustößt. Sei vorsichtig, und versprich mir, weder in die Namib zu fahren noch mit irgendwelchen Schwarzen zu sprechen – schon gar nicht über Diamanten.«
    Ruth nickte automatisch. Alles in ihrem Kopf drehte sich. Sie wäre jetzt gerne allein gewesen und sehnte sich gleichzeitig nach einem Mann, an dessen Schulter sie ausruhen konnte, nach jemandem, der ihr sagte, was gut und richtig war und was sie tun sollte. »Woher weißt du das alles?«, fragte sie schließlich.
    Henry Kramer lächelte fein. »Ich habe meine Quellen, habe Leute beauftragt, mir alles Ungewöhnliche mitzuteilen. Ich habe es für dich getan, Liebste.«
    Ruth zog die Knie an die Brust und schlang die Hände darum. Etwas in ihr schien sich zusammenzuziehen.
    »Komm her, Liebste!« Henry Kramer breitete die Arme aus, und Ruth stürzte sich hinein. In seinen Küssen schmeckte sie Wildheit, seine Arme verrieten Kraft, seine Lenden einen starken Willen. Ruth kam sich vor wie auf einem aufgewühlten Meer, hin- und hergeworfen, emporgehoben, hinabgestürzt und aufgefangen.
    Hinter seinen Küssen, unter seinen Fingern kamen ihre Gedanken zur Ruhe, verschwanden. Und Ruth lachte und weinte und seufzte und wimmerte und lachte wieder und stöhnte, keuchte, jauchzte, schrie und war endlich ganz still und ausgefüllt.
    Hand in Hand liefen Ruth und Henry durch das ausgetrocknete Flussbett.
    Henry hatte die Picknicksachen zuerst im Korb, dann in seinem Auto verstaut, die Decke und Kissen ausgeschüttelt und ebenfalls weggepackt. Ruth hatte dabeigestanden und ihm zugeschaut. Sie war jetzt eine Frau. War gerade zur Frau geworden. Gerade geboren. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen. Als sie den nachtwarmen Felsen unter ihren Füßen spürte, wusste sie, dass sie gehen konnte. Gehen und sprechen und lachen und denken. Eben noch hatte sie gedacht, die ganze Welt sei anders, nachdem sie selbst sich so verändert hatte. Nun war sie ein wenig enttäuscht, dass die Wüste noch immer nach Wüste roch und der Himmel noch immer so unendlich fern war.
    Und Henry Kramer ist noch immer Henry Kramer. Ruth unterdrückte ein Seufzen. Es verwunderte sie, dass er ihr nicht unter die Haut gegangen war, obwohl sie ihn liebte, obwohl sie einander gerade geliebt hatten. Wenn man mit einem Mann schlief, so hatte sie bisher gedacht, dann musste das wie eine Hochzeit sein, ein Eheversprechen. Ein »Sicherkennen«. Sie hatte gedacht, sie müsste nach dem ersten intimen Zusammensein alles über ihn wissen, hätte durch seine Haut alle seine Geheimnisse mit ihm geteilt und umgekehrt. Sie hatte geglaubt, danach die Hälfte eines Doppels zu sein, und merkte nun, dass die Hälfte eines Doppels eben doch nur eins ergibt.
    Als sie ihn dabei beobachtet hatte, wie er die

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