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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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oder Henry Kramer eine Nachricht zu hinterlassen.
    Ruth startete den Dodge, fuhr zur nächsten Tankstelle, füllte Tank und Kanister, kaufte sich einige Flaschen Bier, einige Flaschen Cola sowie zwei Sandwiches und fragte den Truckstopbesitzer, wie weit es von Lüderitz bis zu den Awasibergen sei.
    »Warum nur will alle Welt plötzlich zu den Awasibergen?«, brummte er. »Sie sind schon die Zweite innerhalb von zwei Tagen, die danach fragt. Einhundert Meilen, so Pi mal Daumen. Aber Sie werden schlecht vorankommen, der Weg dorthin ist an vielen Stellen vom Sand überweht. Hoffe, Sie haben gute Reifen.«
    »Habe ich. Danke.« Ruth verließ den Truckstop und überprüfte noch einmal, ob sie noch genug Luft in den Reifen hatte. Dann fuhr sie los in Richtung Hottentotsbai.
    Es gab keine Küstenstraße, doch selbst wenn es eine gegeben hätte, hätte Ruth sie nicht benutzen können, da das ganze Gebiet Diamantensperrgebiet war. Sie musste also auf jeden Fall durch die Wüste.
    Noch war die Luft kühl, und Ruth fuhr mit geöffneten Fenstern aus der schlafenden Stadt hinaus. Nur wenige Menschen waren um diese Zeit schon auf der Straße, zumeist Schwarze, die bis zu ihren Arbeitsstellen einen weiten Fußweg hatten. Einige transportierten auf Eselsrücken Gemüse und Früchte auf den Markt, andere waren auf dem Weg zur Mine. Ruth erkannte sie an den grauen Gesichtern, die selten im Sonnenlicht, umso häufiger aber in der feuchten Dunkelheit der Diamantmine gebadet hatten.
    Als Ruth die Stadt endlich hinter sich gelassen hatte, war die Sonne aus ihrem Bett gestiegen und wärmte die Luft so stark, dass Ruth die Fenster schloss. Links und rechts neben der Pad erstreckten sich die gelben Sanddünen wie Frauenkörper. Wenn der Wind darüberstrich, so war es, als bekämen sie eine Gänsehaut wie ein Weib im Liebesrausch. Hin und wieder ragten dürre, struppige Büschel von Steppengras aus dem Sand empor, schmiegten sich an den Wind. Ruth hoffte, dass der nicht auffrischte, denn in einem Sandsturm würde sie nicht nur nicht mehr weiterfahren können, es war auch ziemlich wahrscheinlich, dass ihr Dodge danach bis zum Fahrgestell im Sand stand.
    Obwohl es rings um sie still war, dröhnten Ruth die Ohren. Es war eine tröstliche Stille, die nur der Motorenlärm des Dodge unterbrach. Vor Ruth lag die Namib, über ihr spannte sich ein plusterblauer Himmel, unter dem die Wolken wie frisch geborene Lämmchen entlangzogen. Ruth hielt an, kurbelte das Fenster herunter, um einen Moment lang die Stille zu genießen.
    Nach einer Weile fuhr sie weiter. Ein Straußenpaar lief ein paar Schritte links neben dem Wagen her, dann blieb es stehen und sah ihr nach, bevor es abbog und in eine andere Richtung weiterrannte. Am Horizont erkannte Ruth bald den Kirchberg, der sich mit seinen tausend Metern vergeblich bemühte, den Himmel zu berühren. Schroff und zerfurcht wie das lange Gesicht einer alten Jungfer ragte er über den sattgelben Sanddünen auf.
    Eine Gruppe von Springböcken kreuzte Ruths Weg. Sie lachte über die wilden Sprünge der Tiere, die sie mitten im Lauf wie aus purem Übermut ausführten. Eine kleine Herde Zebras fraß in der Ferne Buschgras. Oryxantilopen zogen vorbei, sicherlich auf dem Weg zur nächsten Wasserstelle.
    Die Sonne stieg immer höher, die Luft wurde heiß und heißer. Schon bald klebte Ruths Zunge am Gaumen, das Haar in ihrem Nacken war feucht, zwischen ihren Brüsten rann ihr der Schweiß in einem kleinen Rinnsal den Körper hinab.
    Müde und erschöpft hielt Ruth unter einem Baum an. Sie trank eine Cola, aß ein Sandwich, füllte Kühlwasser nach und fuhr dann weiter. Einmal begegnete ihr ein Geländewagen mit dem Signet des Namib-Naukluftparks an der Tür. Ruth nahm den Fuß vom Gas und suchte im Handschuhfach nach dem Permit, der Genehmigung, die Namibwüste zu befahren. Sie hatte das Permit im Truckstop gekauft, doch der Fahrer des Geländewagens hielt nicht an, sondern tippte nur grüßend an den Hut, als er mit Ruth auf gleicher Höhe war.
    Davon abgesehen war Ruth allein, mutterseelenallein, doch sie fühlte sich gut. Die unendliche Weite der Natur ängstigte sie nicht, sondern schenkte ihr im Gegenteil Geborgenheit, Schutz und Ruhe. Anders als in der Stadt fürchtete sie hier draußen, weit weg von jeglicher Zivilisation, nichts. Sie vermisste Henry zwar und konnte sich vorstellen, dass es schön wäre, ihn an ihrer Seite zu haben. Andererseits war sie froh, allein zu sein. Sie wollte unbedingt zu ihrer

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