Das Feuer der Wüste
Fliegenverscheuchen brauchte. Hinzu kamen verschiedene andere Insekten, die nichts anderes im Sinn hatten, als menschliches Blut zu zapfen. War das Essen beendet, rollte man sich in seinen Schlafsack und suchte sich eine Stelle, an der gerade kein Ast am Knie drückte, kein Stein zwischen den Schulterblättern hin- und herrollte, kein Buschgras einen an der Stirn kitzelte. Lange blieb man nie an einer Stelle liegen.
Während Henry mit ihr durch den lauen Abend ins Innere des Landes fuhr, überlegte Ruth, wie sie die sicherlich nicht vermeidbaren Grasflecken von den weißen Ballerinas und die eingetrockneten Blutspritzer der gemeuchelten Fliegen aus ihrer Bluse würde entfernen können.
»Ich freue mich sehr darauf, mit dir die Natur zu genießen«, sagte Henry in diesem Augenblick und schenkte ihr ein breites Lächeln.
Ruth lächelte ein wenig gezwungen zurück. »Ja, ich mich auch.«
»Ach, und da sind wir auch schon!«, verkündete Henry und parkte sein Auto am Rande der Straße. »Komm, hier entlang!« Er führte Ruth ein paar Meter weiter zu einem ausgetrockneten Flusslauf, der sich zwischen scharfkantigen Felsen befand. Dann holte er eine karierte Decke aus dem Auto und einige weiche Kissen und drapierte alles auf dem Boden vor sich. Er breitete ein weißes Damasttischtuch in der Mitte der Decke aus, stellte einen Sektkühler darauf und entnahm dem Korb langstielige Kristallgläser.
Es fehlt nur noch ein silberner Lüster, dachte Ruth, halb belustigt, halb beeindruckt. Was Henry da für sie aufbaute, war alles andere als ein Viehtreiberpicknick! Und tatsächlich holte Henry jetzt auch einen silbernen Kerzenständer aus dem Korb, steckte eine Kerze darauf und zündete sie an. Es folgten Töpfchen und Näpfchen und Döschen und Schächtelchen und Pfännchen und Körbchen voller Köstlichkeiten.
Ruth stand daneben, starrte auf die Decke, die sich immer mehr füllte, und fühlte sich, als sei sie in einem Grandhotel unter freiem Himmel. Es hätte sie nicht gewundert, wenn Henry nun auch noch einen befrackten Stehgeiger aus seinem Korb gezaubert oder ein grandioses Feuerwerk entzündet hätte.
Hach!, dachte Ruth. Das ist schöner und romantischer als alles, was ich bisher erlebt habe. Ihr Blick ruhte auf Henrys Gesicht, war erfüllt von Zärtlichkeit und Bewunderung.
»Darf ich dann zu Tisch bitten?« Henry reichte Ruth die Hand und stützte sie ein wenig, als sie sich auf der Decke niederließ.
Ruth kostete von einer Pastete, naschte eine Feige, verspeiste ein Stück Ziegenkäse, biss vom knusprigen Brot ab, trank einen Schluck Champagner, aß ein bisschen von der gesalzenen Butter und ließ eine Trüffelpraline auf ihrer Zunge zergehen. Dann war sie satt, ließ sich zurück auf die Decke sinken, den rechten Arm unter ihrem Kopf, die linke Hand auf dem wohlgefüllten Bauch. Sie fühlte sich satt und warm und leicht, und hätte man sie gefragt, wie sie sich das Paradies vorstellte, dann hätte sie wohl geantwortet: »Genau so.«
Erst jetzt merkte Ruth, dass mittlerweile Nacht geworden war. Der Himmel über ihr trug ein samtiges Schwarz und hatte sich glitzernde Sterne auf sein Kleid genäht. »Und, was hast du heute Nachmittag gemacht?«, fragte sie schließlich, den Blick zu den Sternen gerichtet, Henrys Hand auf ihrem Schenkel spürend.
Sie hörte, wie er leise aufstöhnte und richtete sich abrupt auf. »Was ist?«
»Ach, ich möchte nicht diesen wunderbaren Abend zerstören«, erwiderte Henry.
Ruth ließ sich wieder zurücksinken und reckte sich wohlig. »Dann ist es bestimmt auch nicht so wichtig«, sagte sie. Was sollte jetzt auch dringend sein? Alles, alles konnte warten, bis dieser zauberhafte Abend vorüber war.
»Aber ich muss mit dir reden.« Henrys Stimme klang mit einem Mal angespannt.
»Ja?« Ruth schloss die Augen, bettete ihren Kopf an seine Schulter, nahm seine Hand und schmiegte ihre Wange hinein. »Müssen wir unbedingt reden?«, flüsterte sie. »Ich möchte lieber geküsst werden.«
Sogleich spürte sie Henrys Lippen auf ihrem Mund, doch sein Kuss wirkte fahrig, wie eine Pflichtübung. Sie richtete sich auf. »Also, was ist los? Was musst du mir unbedingt erzählen?«
Henry erhob sich ebenfalls, saß im Schneidersitz vor Ruth, griff nach ihrer Hand, spielte mit ihren Fingern. »Als Jurist beim Diamond World Trust habe ich Zugang zu bestimmten Unterlagen, die nicht im Archiv gelagert werden. Ich wollte dir helfen, Ruth, das musst du mir glauben.«
»Ja?« Sie war hellhörig
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