Das Filmbett
Arschloch ist.
Mit dem obersten Boss kannste erst was haben, wenn du selbst ein Star bist. Und dann brauchst du ihn nicht mehr. Denk dran, Meechen, wenn du deinen Honigtopf zur Bedienung freigibst!« - Soweit ein Weiser des Schaugeschäftes, der diesen seinen Leitsatz kaustisch-köstlich als MM-(Marily) Monroe-Doktrin bezeichnete.
Und obwohl Swantje alles bedacht hatte und vorsichtig zu Werke ging, hatte sie den Eindruck, daß die Anstalt wie ein Piratenschiff reagierte, auf dem nach langer Prisenfahrt plötzlich eine Frau an Deck gezerrt wird. Dabei hatte sie doch - wie stets - das Sollen und das Müssen gegeneinander abgewogen, wie beim Damespiel überlegt, welche und wieviel Steine man am klügsten überspringen und aus dem Spiel werfen könne. In Gedanken hüpfte sie wie ein Kind auf einem Bein über ein buntes Pflasterornament und versuchte mit den wenigsten Sprüngen ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Und im Traum würfelte sie die Namen aus, als ginge es um den nächsten potentiellen Gegner bei einem Uefa-Pokal-Spiel oder um die Zahlen auf einem Lottoschein.
Sie befand sich in einem - wenn auch verzeihlichen - Irrtum, wenn sie bei ihren nunmehr häufigeren Besuchen im neureichen Direktionsgebäude der Sendeanstalt den kafkaes-ken Krieg, der um sie herum tobte, auf ihre Person bezog. Diese Nahkämpfe von Büro zu Büro, von Ressort zu Ressort, von Abteilung zu Abteilung, von Etage zu Etage, dieses »Sesselsägen« und »Hacklwerfen« - um uns der Worte österreichischer Kameralistik zu bedienen -, dieses wohlüberlegte Bombenlegen, Intrigenspinnen, Skandalverbreiten -, dieses Rufmorden, Hinter-der-Hand-flüstern, dieses Gerangel von Strebern um Kompetenzen und Privilegien, durch die Redakteure versetzt, Abteilungsleiter abgelöst, freie Mitarbeiter beschäftigungslos wurden, dieser hausinterne Grabenkrieg um Posten und Stellungen wurde nicht durch ihre Person hervorgerufen, wie sie vielleicht glauben mochte: Es war nur der betriebsame Alltag einer aufgeblähten, leerlaufenden Büromaschinerie, die sich mit all ihrer streitbaren Mißgunst selbst zu bestätigen suchte und ihre Unfähigkeit, eine Sache zu intendieren, kaschieren wollte. Dieser absurde Riesenapparat von halbintellektuellem Sperrmüll, angefressen vom Rost und den Bakterien des Parkinsonschen Syndroms, war eher einem der sinnlosen Mobiles Tinguelys zu vergleichen, als einer erfolgreich funktionierenden Administration - aber nicht entfernt so amüsant.
Um Swantje ging es letztlich nur bei zwei Herren der oberen Hierarchie, die zudem Freunde waren, von der Pariser Etappe und von Woronesch her, und die sich nach dem Krieg gegenseitig in die Direktionssessel verholfen hatten. Im Grunde konnte das Duell nur zustande kommen, weil beide Kavaliere zwar zu genießen, aber nicht zu schweigen verstanden. Ohne die gegenseitige Indiskretion wäre eine »Ausgewogenheit« auch in diesem heiklen Programmpunkt durchaus möglich gewesen. Swantje hingegen wußte seit ihrer Defloration, daß Verschwiegenheit Voraussetzung ihres Fort-und Weiterkommens war. Aber die plumpen Herrenabend-Prahlereien über leichte Bettsiege zerstörten eine Kriegskameradschaft und machten die beiden Kampfhähne zu Intimfeinden. Beide wurden sich zu spät darüber klar, wieviel der eine inzwischen vom anderen wußte und wieviel Korruptionskehricht man gemeinsam unter den Teppich gekehrt hatte, so daß die haßerfüllte Privatfehde jederzeit zu einem öffentlichen Skandal werden konnte. Sieger blieb der Ranghöhere.
Für Swantje war der erbitterte Zweikampf um den ausschließlichen Besitz ihrer Person unbegreiflich. Durch ihren jähen künstlerischen Erfolg zu einer Persönlichkeit des öffentlichen Interesses geworden - ein Umstand, der für jeden Menschen schwer zu verkraften ist-, befürchtete sie plötzlich zur Skandalfigur im bundesrepublikanischen Kulturbetrieb zu werden, was ihr noch Monate vorher gänzlich egal gewesen wäre. Aber sie war eben weder ein Glamourgirl noch eine Skandalnudel. Vor dieser Bedrohung erkannte sie unversehens klar, daß sie eigentlich ihr ganzes Leben lang ambitionslos und ohne Ehrgeiz gewesen war. Was sie nötig hatte, war ein bißchen Selbstbestätigung, und davon hatte sie jetzt genug. Publizität und Erfolg gegenüber blieb sie weitgehend gleichgültig. Bei allem Fleiß war sie immer idolent gewesen. Sie ließ sich gebrauchen, wenn sie gebraucht wurde. Gelegentlich hatte man sie den »Wanderpreis« genannt, wenn sie so von Hand zu Hand ging. Als
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