Das Finale
Frauke
den Besucherstuhl an seinem Schreibtisch an und erklärte:
»Das
Transplantationszentrum der Medizinischen Hochschule Hannover ist das größte in
Deutschland. Hier werden jährlich mehr als zweihundert Nieren transplantiert.
Diese Erfahrung möchten sich auch die Patienten zunutze machen, die in
Wolfenbüttel operiert werden.«
»Das verstehe ich
nicht«, sagte Frauke. »Wenn Hannover eine Klinik der Maximalversorgung …«
»Supramaximal«,
korrigierte sie Dr. Fehrenkemper.
»… ist, dann
wäre dort doch so gut wie nirgendwo für das Patientenwohl gesorgt, insbesondere
wenn es Komplikationen gibt. In der Wolfenbüttler Klinik bleibt ein
Restrisiko.«
»Es gibt Patienten,
die sich nur in eine solche Klinik begeben.«
»Warum?«, fragte Frauke.
»Gibt es Gründe? Sind es Leute, die Anlass haben, die Öffentlichkeit zu
scheuen?«
Dr. Fehrenkemper
winkte ab. »Ich bin Arzt. Wenn etwas für mich medizinisch vertretbar ist, helfe
ich.«
»Das wird sicher
herausragend honoriert«, sagte Frauke.
»Nebensächlichkeiten«,
wiegelte der Arzt ab. »Ich kann Ihnen versichern, dass auch wirtschaftlich
alles völlig legal abgewickelt wird. Ich habe eine Genehmigung der
Medizinischen Hochschule für die Nebentätigkeit. Und die MH stellt nicht nur weiteres qualifiziertes Personal,
sondern auch andere Einrichtungen zur Verfügung, zum Beispiel das
Transplantationslabor. Als Operateur beginne ich erst, wenn alles andere
abgeklärt ist. Wer sollte sonst die anspruchsvolle Typisierung vornehmen?«
»Woher haben Sie die
transplantierte Niere? Lag in dem zweiten Zimmer während unseres Besuchs der
Spender?«
»Nein.« Es klang
entschieden. »In diesem Fall wurde die Niere angeliefert.«
»Wer war der
Spender?«
»Das ist anonym.«
»Interessiert es Sie
als Arzt nicht, woher das Organ stammt?«
Dr. Fehrenkemper
lächelte in sich hinein. »Ich glaube, Sie interpretieren zu viel in die ganze
Sache. Als Arzt interessiert es mich, Menschen zu helfen. Ich stelle meine
Kunst in den Dienst der guten Sache. Für mich bedeutet eine erfolgreiche
Transplantation, dass ich einem Menschen Leben oder zumindest Lebensqualität
zurückgeben konnte. Um falschen Vorstellungen vorzubeugen … Wirtschaftliche
Interessen spielen dabei keine Rolle.«
»Sie wollen sich
nicht als barmherziger Samariter auszeichnen?«
Jetzt lachte der
Arzt. Es wirkte frisch und unverbraucht. »Nein. Um Gottes willen, auch wenn das
Honorar ein angenehmer Nebeneffekt ist. Zugegeben.«
»Ist das Ganze nicht
auch eine Frage der Ethik?«
Dr. Fehrenkemper
kniff die Augen zu einem schmalen Schlitz zusammen. »Darüber wird viel Falsches
in der Öffentlichkeit erzählt. Mein ehemaliger Chefarzt hier in Hannover, von
dem ich viel, ach, eigentlich alles gelernt habe, ist darüber gestolpert. Wider
alle Wahrheit hat ihn die Presse zerrissen, dabei hat er nur das getan, wozu
Ärzte durch den Eid des Hippokrates verpflichtet sind: Leben gerettet.«
»Spezieller
Personen«, riet Frauke.
»Was soll dieser
Blödsinn? Wer maßt sich an, zu selektieren, was ein guter und was ein weniger
guter Patient ist? Einzig die medizinische Beurteilung ist von Relevanz.«
»Und die Frage, ob
jemand Privat- oder Kassenpatient ist«, erwiderte Frauke.
Dr. Fehrenkemper
sprang erregt auf. »Das ist niveaulos, was Sie von sich geben. Wir sollten das
Gespräch an dieser Stelle beenden. Guten Tag.«
Immerhin hielt er
Frauke noch die Tür seines Ordinationszimmers auf, auch wenn sie hinter Frauke
mit einem lauten Krachen ins Schloss fiel.
Als sie wieder
im Auto saß, überkam sie die Müdigkeit. Die wenigen Augenblicke Ruhe der
letzten Nacht hatten nicht gereicht. Außerdem war der Kühlschrank leer, und sie
hatte keine Gelegenheit gefunden, neue Lebensmittel einzukaufen. So beschloss
sie, zur »Pizzeria Italia« in die Gretchenstraße zu fahren. Sie stellte ihren
Golf in einer Parklücke unweit ihrer Wohnung ab und suchte das Lokal auf.
Judith, die Wirtin, begrüßte sie freundlich wie eine alte Bekannte und nahm
ihre Bestellung auf. Sie gab auch keinen Kommentar ab, als Frauke nur
Mineralwasser bestellte. Ein Glas Wein … Vermutlich wäre sie noch am Tisch
eingeschlafen.
Die Pizza Caprese
wurde zügig serviert, und während Frauke aß, meldete sich ihr Handy. Die
Rufnummer war unterdrückt.
Frauke war versucht,
sich mit »Hallo, Georg« zu melden, ließ den Namen ab weg.
»Frau Dobermann?«,
fragte eine Stimme mit Akzent.
»Ja.« Sie klemmte
sich das Telefon zwischen
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