Das Finale
Gesetze. Es konnte nicht
im Interesse der Polizei sein, wenn Dottore Carretta eines der nächsten Opfer
werden sollte.
»Wir fahren jetzt zu
meiner Dienststelle. Dann erzählen Sie, was Sie wissen.«
»Nein. Morgen.«
Frauke unterdrückte
mühsam ein Gähnen, es hätte auf den Mann wie Desinteresse gewirkt.
»Gut«, sagte sie.
»Rufen Sie mich morgen an.« Sie gab ihm eine Visitenkarte mit ihren
dienstlichen Kontaktdaten. »Woher haben Sie eigentlich meine private
Handynummer?«
»Ach«, winkte der
Mann ab, »die kursiert mittlerweile in ganz Hannover.«
Vorsichtig kam er
aus dem Hauseingang hervor. Noch einmal sicherte er nach allen Seiten. »Bis
morgen.« Hastig machte er sich auf den Weg Richtung Hauptbahnhof.
Frauke gähnte
herzhaft. Das ließ sich nicht mehr unterdrücken. Mit der gebotenen Vorsicht
ging sie die wenigen Schritte bis zur Haustür. Sie bemerkte nichts
Verdächtiges. Auch in der Wohnung fand sich kein Hinweis für einen neuerlichen
Besuch von Fremden.
Sorgfältig sicherte
sie ihre Wohnung und zog sich ins Bett zurück. Sie hatte den Eindruck, schon
eingeschlafen zu sein, bevor ihr Kopf das Kissen berührte.
SECHS
Über Nacht
hatte es zu regnen begonnen. Von der Fensterscheibe perlte das Wasser ab.
Frauke sah hinaus. Pfützen standen auf den Straßen, von denen kleine Fontänen
hochspritzten. Dicke Tropfen klatschten auf die Dächer der parkenden und
vorbeifahrenden Autos.
Von alldem hatte
Frauke nichts mitbekommen. Sie wusste nicht, wie lange der Wecker geklingelt
hatte, bis sie ihn endlich wahrgenommen hatte und aufgestanden war.
Sie ließ sich Zeit
im Badezimmer und fuhr anschließend ins Landeskriminalamt. Merkwürdig, dachte
sie. Wenn es regnet, wirkt sich das auf den Fahrstil vieler Leute aus. Es war
nur ein kurzes Stück, aber sie geriet in einen Stau, in dem die Autos nur
mühsam vorankamen.
Frauke war nicht
überrascht, dass Nathan Madsack schon an seinem Schreibtisch saß. Sie huschte
an der offenen Bürotür vorbei, ohne von ihm bemerkt zu werden, stellte ihre
Tasche in ihrem Zimmer ab und suchte die Kantine auf.
Kaffee und Brötchen
waren eine ideale Ergänzung zur wohltuenden heißen und ausführlichen Dusche.
Frauke war zwar immer noch müde, aber langsam kehrten die Lebensgeister zurück.
Auf dem Flur wurde
sie von einem aufgelöst wirkenden Madsack erwartet.
»Guten Morgen. Ich
suche Sie schon im ganzen Haus.« Madsack musste sich wirklich bewegt haben. Er
sprach kurzatmig.
»Moin. Wo brennt es
denn?«
»Wenn es nur brennen
würde … Man hat einen Toten gefunden.«
In Sekundenschnelle
war Fraukes Gelassenheit einer Anspannung gewichen.
»Wer? Wo?«
Madsack holte tief
Luft. »Alessandro Boccone. Eine Gruppe aus einer Kindertagesstätte hat ihn auf
einem Spielplatz gefunden.«
Frauke zeigte aus
dem Fenster. »Bei dem Wetter? Ist die Geldnot bei den Kommunen jetzt schon so
groß, dass man den Nachwuchs nur noch im Freien betreuen kann?«
»Das weiß ich auch
nicht.« Madsack schnaufte. »Herr Ehlers hat gesagt, wir sollen sofort
hinkommen, wenn ich Sie gefunden habe. Er ist schon am Tatort.«
»Ehlers ist am
Tatort?«
Madsack nickte.
Das verhieß nichts
Gutes, wenn der Kriminaloberrat persönlich hinausging.
»Ich hole meine
Sachen«, sagte Frauke. »Kommen Sie.«
Sie fuhren mit ihrem
Golf. Mit einem kritischen Seitenblick sah sie, wie Madsack sich mühsam auf den
Beifahrersitz zwängte.
»Sie können den Sitz
zurückschieben«, sagte sie.
»Danke, es geht.« Es
klang eine Spur beleidigt.
Madsack dirigierte
sie zur Celler Straße, die in die Wedekindstraße überging. Sie bogen in die
Bödekerstraße ein, in der noch viele alte Häuser aus der Zeit vor dem Krieg
standen.
»Ein Stück weiter
ist die Musikhochschule«, erklärte Madsack. »Davor müssen wir scharf links
abbiegen. Kurz danach können Sie parken.«
Ein Fußweg führte in
das weite Areal der Eilenriede, deren westlichster Zipfel hier begann. Der Weg
war nach dem Bürgerrechtler Holtorf benannt.
Madsack führte
Frauke in das mit hohen Bäumen bestandene Erholungsgebiet. Radfahrer und Jogger
kreuzten trotz des Regens ihren Weg. Frauke zog den Kopf zwischen die Schulterblätter,
während Madsack neben ihr herstapfte. Der Hauptkommissar war wie immer korrekt
mit einem Anzug, Schlips und Kragen bekleidet. Im Nu waren beide durchnässt.
Madsack schien es nichts auszumachen. Zumindest zeigte er keine Regung.
»Hier entlang.« Der
Hauptkommissar zeigte nach halb links. Sie überquerten eine
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