Das Finale
Team in Ruhe weiterarbeiten.«
»Finden Sie nicht,
dass Ihre Vorgehensweise gestern Abend unkonventionell war?«, versuchte es
Ehlers auf eine andere Weise. »Vielleicht würde Boccone jetzt noch leben.«
»Wenn er gewusst
hätte, dass man ihm auf der Spur ist, hätte er überhaupt nicht den Kontakt zu
mir gesucht. Den Mann haben keine Gewissensbisse geplagt. Er wollte nur auf die
andere Seite wechseln. Das hat nicht geklappt.«
»Sie sind reichlich
cool«, stellte Ehlers fest.
»Als aufgeregter
Hitzkopf können Sie gegen die Organisation keine Punkte machen.«
»Seien Sie
vorsichtig. Wir haben schon einen Kollegen verloren«, sagte Ehlers mit
besorgter Stimme.
»Ich glaube nicht,
dass ich im Fokus stehe«, antwortete Frauke. »Professionelle Verbrecher
akzeptieren, dass es Aufgabe der Polizei ist, sie zu stellen. Die sehen es
sportlich. Wenn Drohungen gegen Ermittler ausgestoßen werden, dann nur von
erregten Kleinkriminellen.«
Ehlers musterte sie.
In seinen Augen las sie, dass der Kriminaloberrat ihren Worten keinen Glauben
schenkte.
»Wir müssen die
Ergebnisse der Autopsie abwarten, obwohl mir das Bild, das sich uns hier
bietet, eigentlich schon alles verrät«, sagte Frauke. »Als Nächstes werden wir
zu Boccones Wohnung fahren.«
»Wollen Sie warten,
bis die Spurensicherung hier fertig ist?«
»Nein«, sagte
Frauke. »Wir können hier im Augenblick nichts unternehmen.« Sie wandte sich an
den Beamten im durchsichtigen Schutzanzug. »Wo wohnt das Opfer?«
»In Ricklingen.«
»Dann werde ich
dorthin fahren.«
»Aber nicht allein«,
mahnte Ehlers.
»Ich werde
Schwarczer mitnehmen«, beschloss Frauke. »Madsack kann hier vor Ort alles
Weitere koordinieren und nach Zeugen suchen. Irgendwie müssen Täter und Opfer
ja hergekommen sein.«
Von der
stark befahrenen Frankfurter Allee zwischen Ricklinger und Landwehrkreisel, die
Teil der Westumgehung Hannovers war, drang der Straßenlärm herüber, der nur
durch die mehrgeschossigen Häuser auf der anderen Straßenseite ein wenig
abgeschirmt wurde. Es war ein ebenmäßiges Rauschen, das die Waßmannstraße
erfüllte. Eine Kette gleicher Mehrfamilienhäuser prägte das gesamte
Straßenbild. Jedes Gebäude war durch einen sauber gepflegten Vorgarten von der
Wohnstraße abgegrenzt. In einem der Häuser wohnte Boccone.
Niemand
interessierte sich für die beiden Beamten, die direkt vor der Haustür einen
Parkplatz gefunden hatten. Es rührte sich auch nichts, als der Schlüsseldienst
die Tür öffnete.
»Die Spurensicherung
hat bei Boccone keinen Schlüssel gefunden«, erklärte Frauke Thomas Schwarczer.
»Das überrascht mich nicht. Vermutlich haben die Täter, wenn wir davon
ausgehen, dass es mehrere waren, sie dem Opfer abgenommen.«
Beim Betreten der
Wohnung sahen sie, warum. Jemand hatte die Räume gründlich durchsucht und sich
dabei nicht der Mühe unterzogen, es zu verbergen. Die Schubladen waren
geöffnet, die Inhalte auf den Boden ausgekippt. Das galt auch für die Schränke.
Selbst in der Küche waren die Schränke leer geräumt. Allerdings hatten die
Besucher darauf verzichtet, das Porzellan zu zerschlagen. Ihnen war es nicht
auf Zerstörung angekommen. Sie hatten etwas gesucht.
»Vermutlich dasselbe
wie wir«, sagte Frauke. Sie musste nicht mehr ausführen. Schwarczer hatte ihren
unausgesprochenen Gedanken erraten.
Sie unternahmen den
Versuch, noch etwas zu finden, was die vorherigen Besucher vielleicht übersehen
hatten. Es war ein vergebliches Hoffen. Alle persönlichen Gegenstände waren
verschwunden. Es gab keine Bilder, keine Briefe oder Kontoauszüge, keine
Rechnungen oder Notizen. Selbstverständlich hatten die Täter auch Notebook und
Datenträger mitgenommen, falls sie vorhanden gewesen waren.
»Die Leute waren
gründlich. Sie haben dem Opfer auch das Handy abgenommen«, sagte Frauke. »Ich
hatte nichts anderes erwartet. Die Organisation arbeitet schnell und gründlich.
Und konsequent. Ordern Sie die Spurensicherung, Schwarczer«, wies sie ihren
Kollegen an. »Vielleicht finden die noch etwas, was wir und die Täter übersehen
haben.«
Anschließend
fuhren sie zur Justizvollzugsanstalt und ließen Bernd Richter vorführen.
Der ehemalige
Hauptkommissar hatte eingefallene Wangen. Die Augen lagen tief in den Höhlen.
Er war schlecht rasiert, sodass die dunklen Bartstoppeln Schatten warfen. Mit
unstetem Blick musterte er abwechselnd Frauke und Schwarczer. Es war
unübersehbar, dass die Haft an seinen Nerven zerrte. Frauke hoffte, dass
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