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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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mit der Waffe. Langsam näherte sich ihr der Seelendämon, und die Frau hielt ihm den Pfeil, den sie soeben noch auf ihn abschießen wollte, entgegen, damit er ihn in Augenschein nehmen konnte.
    Die Siegel auf dem Pfeil besaßen eine kraftvolle Form; der Seelendämon spürte, wie sie an seiner ungeheuer starken Magie zerrten. Er streckte eine krallenbewehrte Hand danach aus und staunte, als die Zeichen zu glühen begannen, obwohl seine Finger noch mehrere Zoll von dem Objekt entfernt waren.
    Der Dämonenprinz forschte tief in den Gedanken seines Opfers, stöberte in Bildern und Erinnerungen, wie man in einer alten Truhe herumkramt. Er erfuhr eine ganze Menge; so viel, dass weitere Überlegungen erforderlich waren, ehe gehandelt werden konnte.
    Die Morgendämmerung war noch Stunden entfernt, doch der Himmel wurde bereits heller. Weit im Süden fühlte er die Zustimmung seines Bruders. Die Zeit reichte aus, um über das Problem nachzudenken.
    Der Seelendämon betrachtete die Frau. Er konnte die Erinnerung an diesen Vorfall aus ihrem Gedächtnis löschen - sie in die Bannzone zurückschicken, ohne dass sie gewusst hätte, was passiert war -, aber die Berührung des menschlichen Geistes, fett und größtenteils brachliegend, hatte seinen Hunger geweckt.
    Der Mimikry, der die Gier seines Gebieters spürte, ließ einen scharfen Tentakel vorschnellen und trennte mit einem einzigen
Hieb den Kopf der Frau vom Rumpf. Geschickt fing er die Beute auf, schlitterte zu seinem Herrn und knackte mit einer Kralle den Schädel auf, um ihm den Schmaus zu präsentieren.
    Der Horcling-Prinz riss die süße graue Masse aus dem Schädel und verschlang sie heißhungrig. Das Fleisch war nicht so zart wie die ignoranten Gehirne der Wesen, die seinen persönlichen Vorrat darstellten, aber die Jagd an der Oberfläche verschaffte ihm eine Befriedigung, die diesem Imbiss eine ganz spezielle Würze verlieh.
    Der Dämon sah zu seinem Mimikry, der Wache stand, während der Horcling-Prinz sich an dem Leckerbissen gütlich tat. Mit einem Pochen der Schädelhöcker erteilte er ihm die Erlaubnis, und sofort blähte sich der Mimikrydämon auf, öffnete einen riesigen, mit Zähnen gespickten Rachen, glitt zu der Frau hin und verschluckte den Rest ihres Körpers in einem Stück.
    Nachdem Gebieter und Diener gleichermaßen gesättigt waren, lösten sie sich in Nebel auf und schlüpften in den Horc zurück, während die Helligkeit des Himmels zunahm.

13
    Renna
    333 NR - Frühling
     
     
    R ennas kräftige Arme schmerzten und waren mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt, während sie am Butterfass herumfuhrwerkte. Es war Frühlingsanfang, aber sie trug lediglich ihr Unterkleid. Ihr Vater würde einen Anfall bekommen, wenn er sie so sähe, aber er war hinter dem Haus und schnitt Siegelpfosten zurecht, und Lucik hatte die Jungen mit aufs Feld genommen.
    Der Hof war gediehen, seit Lucik vor vierzehn Jahren zu ihnen gezogen war, Beni geheiratet und sie geschwängert hatte. Nachdem Ilain mit Jeph Strohballen durchgebrannt war, hatten sie eine schwere Zeit durchgemacht. Harl hatte getobt und seine Wut an seinen beiden anderen Töchtern ausgelassen, zumeist an Beni, da sie die Ältere war. Doch all das hörte auf, sobald Lucik mit seinen muskulösen Armen und breiten Schultern auf den Hof kam. Seither ließ Harl sie in Ruhe, und die Felder, früher kaum mehr als ein großer Garten, waren von Jahr zu Jahr gewachsen.
    Wenn sie daran dachte, fiel ihr wieder Arlen Strohballen ein, und sie fragte sich, wie ihr Leben hätte verlaufen können, wenn alles anders gekommen wäre. Als sie einander versprochen wurden, kam man überein, dass sie diejenige sein sollte, die von zu Hause weggehen würde, um dann auf Jephs Hof zu leben, und nicht Ilain. Aber nachdem Arlens Mutter starb, rannte er weg in
die Wälder, und man hatte nie wieder etwas von ihm gehört. Die Leute sagten, er müsse tot sein, und diese Ansicht verstärkte sich noch, als Jeph den Weg nach Sonnige Weide auf sich nahm, um nach ihm zu forschen, ihn jedoch nirgends fand. Bis man die Freien Städte erreichte, war man zu Fuß wochenlang unterwegs, und ohne sichere Zuflucht konnte keiner so viele Nächte draußen überleben.
    Und dennoch hatte Renna die Hoffnung niemals ganz aufgegeben. Dauernd suchte sie mit Blicken die Straße in östlicher Richtung ab, und sie betete, dass er eines Tages zurückkommen und sie mitnehmen möge.
    Genau in diesem Moment schaute sie hoch und entdeckte tatsächlich einen Reiter auf

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