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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Gemeinschaftsraum abtrennte, zog sich das schmuddelige Untergewand aus und schlüpfte in ein Kleid. Sie war noch dabei, die Schnüre des Mieders zuzubinden, da trat sie auch schon wieder hervor und ertappte Cobie dabei, wie er sie anstarrte.
    »Zum Horc mit dir, Renna!«, donnerte Harl, und sie verschwand sofort wieder in ihrer Ecke, bis sie fertig angezogen war.

    Als sie dann auftauchte, verzog Harl widerwillig das Gesicht. »Lauf und hol Lucik von den Feldern, Mädchen, und sorge dafür, dass die Jungen draußen in der Scheune bleiben. Der Kurier bringt schlechte Nachrichten.«
    Renna nickte und rannte zur Tür hinaus. Sie traf Lucik dabei an, wie er am äußersten Ende der Felder Siegelpfosten instand setzte; direkt dahinter hatten Flammendämonen den Boden mit allem, was darauf wuchs, zu schwarzer Asche verbrannt.
    Cal und Jace waren bei ihm und hackten Unkraut aus, während ihr Vater arbeitete. Sie waren sieben und zehn Jahre alt.
    »Zeit zum Abendessen?«, fragte Cal hoffnungsvoll.
    »Nein, mein Herz«, antwortete Renna und zerstrubbelte sein schmutziges blondes Haar. »Aber wir bringen schon mal die Tiere in die Scheune zurück. Euer Dad hat einen Besucher.«
    »Ach ja?«, staunte Lucik.
    »Cobie Fischer«, erklärte Renna, »mit einer Nachricht von deiner Mam.«
    Angst huschte über Luciks Gesicht und er hetzte sofort los. Renna brachte die Jungen zurück und ließ sie die Schweine und Kühe aus den Tagespferchen in die große Scheune treiben. Sie selbst band Tannenzapfen los und führte die Stute in die kleine Scheune hinter dem Haus, in der die Mulis und die Hühner untergebracht waren. Ihr letztes Pferd war vor zwei Sommern eingegangen, so dass ein Verschlag frei war. Renna löste den Sattelgurt und nahm dem Pferd den Sattel und das Zaumzeug ab. Als sie sich umdrehte, um den Striegel zu holen, erwischte sie Jace dabei, wie er nach Cobies Speer greifen wollte.
    »Hände weg, oder es setzt eine Tracht Prügel«, schimpfte sie und schlug seine Hand weg. »Nimm den Striegel und reib das Pferd ab, und hinterher bringst du den Schweinen Futter.«
    Während die Jungen ihren Pflichten nachgingen, fütterte sie die Hühner, doch immer wieder wanderten ihre Blicke zur Haustür. Sie hatte vierundzwanzig Sommer gesehen, aber Harl behandelte
sie immer noch wie ein Kind und schirmte sie vor allem ab, so wie er auch die beiden Jungen übertrieben behütete.
    Nach einer Weile ging die Tür auf und Beni steckte den Kopf durch den Spalt. »Das Abendessen ist fertig. Alle Mann Hände waschen.«
    Die Jungen jubelten und sausten ins Haus, doch Renna zögerte und sah ihrer Schwester forschend in die Augen. Seit sie Kinder waren, konnten sich die beiden Blicke zuwerfen, die Bände sprachen, und dieses Mal war es nicht anders. Renna umarmte Beni und hielt sie fest, während sie weinte.
    Doch schon bald hatte sie sich ausgeschluchzt, straffte wieder den Rücken und wischte sich mit ihrer Schürze die Augen ab, ehe sie in Haus zurückging. Renna holte tief Luft und folgte ihr.
    Am Esstisch fanden nur sechs Personen Platz, deshalb schickte man die Jungen an die Feuerstelle im Gemeinschaftsraum, um dort ihre Mahlzeit einzunehmen. Da sie keine Ahnung hatten, welches Unglück passiert war, tollten sie überglücklich los, und durch den dünnen Vorhang, der als Raumteiler zwischen der Essstube und dem Gemeinschaftsraum diente, konnten die Erwachsenen hören, wie sie lachten und sich mit den Hunden balgten.
    »Morgen in aller Frühe brechen wir auf«, bestimmte Lucik, nachdem Renna das Geschirr abgeräumt hatte. »Jetzt, wo Dad und Kenner tot sind, braucht Mam einen Mann im Haus, bevor der Vielfraß anfängt, wieder Bier aus dem Sumpfland zu kaufen.«
    »Kann ihr nicht jemand anders helfen?«, fragte Harl mit säuerlicher Miene, während er das Ende eines Siegelpfostens anspitzte. »Der junge Fernan ist doch schon fast erwachsen.« Der junge Fernan war Kenners Sohn und nach seinem Großvater benannt.
    »Fernie ist erst zwölf, Harl«, wandte Lucik ein. »Man kann ihm nicht die Leitung einer Brauerei anvertrauen.«
    »Und was ist mit deiner Schwester?«, ließ Harl nicht locker. »Vor ein paar Sommern hat sie doch diesen Fischer-Jungen geheiratet.«

    »Jash«, half Cobie aus.
    »Er ist von Beruf Fischer«, erwiderte Lucik. »Er kann Fische entschuppen und ausnehmen, aber vom Bierbrauen hat er keinen blassen Schimmer. Nichts für ungut«, fügte er mit einem versöhnlichen Blick auf Cobie hinzu.
    »Ist schon in Ordnung«, meinte Cobie.

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