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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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ihm in die Augen zu sehen, »und du hast ja nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass du die Kampfsiegel in jeder Stadt und jedem Weiler verbreiten willst. Was auch das Beste ist.«
    Der Tätowierte Mann nickte. »Dann sind wir uns ja einig.«
    Den Rest der Fahrt schwiegen sie, und sie erreichten das Hospital, als die Schülerinnen gerade dabei waren, die Wäsche von den Leinen zu nehmen.
    »Gared, sei so nett und hilf den Mädchen, die Wäschekörbe zu tragen«, wandte sich Leesha an den Holzfäller, nachdem die leere Kutsche davongerollt war. Gared nickte und steuerte auf die Wäscheleinen zu.
    »Wonda«, sagte Leesha, »der Tätowierte Mann wird Waffen brauchen, wenn er nach Norden reitet. Bring ihm bitte ein paar Bündel Pfeile.«

    »Ay, Meisterin«, antwortete Wonda, verbeugte sich und lief ins Haus.
    »Fünf Minuten bei Hof, und schon verbeugt sich jeder vor jedem«, spottete Rojer.
    »Rojer, könntest du zu Meisterin Jizell gehen und sie darum bitten, Proviant für die Satteltaschen zusammenpacken zu lassen?«, fragte Leesha.
    Rojer zog ein mürrisches Gesicht und bedachte Leesha und den Tätowierten Mann mit einem vielsagenden Blick. »Ich sollte lieber hierbleiben und die Anstandsdame spielen«, maulte er.
    Leesha funkelte ihn so wütend an, dass er erschrocken zurückwich. Er verbeugte sich mit sarkastischem Überschwang und stob davon. Leesha und der Tätowierte Mann begaben sich in den Stall, wo er seinen Sattel und das Zaumzeug des Hengstes holte; beide Teile waren mit kraftvollen Kampfsiegeln versehen.
    »Du gibst doch gut auf dich acht, ja?«, begann Leesha.
    »Wenn ich leichtsinnig wäre, hätte ich nicht so lange überlebt.«
    »Klingt einleuchtend. Aber ich meinte nicht nur, dass du dich vor den Horclingen hüten sollst. Herzog Euchor steht in dem Ruf, eine härtere Linie zu verfolgen als Rhinebeck.«
    »Weil er sich von seinen Ratgebern nicht an der Nase herumführen lässt? Ich kenne ihn. Ich bin Euchor bereits begegnet.«
    Leesha schüttelte den Kopf und lächelte. »Gibt es einen Ort, an dem du noch nicht warst?«
    Der Tätowierte Mann zuckte mit den Schultern. »Sogar viele. Ich weiß nicht, was hinter der östlichen Bergkette liegt. Durch die Wälder im Westen bin ich auch noch nicht geritten. Und ich würde zu gern das Meer sehen, an das man gelangt, wenn man die krasianische Wüste durchquert.« Er sah ihr in die Augen. »Aber eines Tages werde ich all diese Orte besuchen, wenn ich kann.«
    »Das alles möchte ich mir auch ansehen, so der Schöpfer will«, gestand Leesha.

    »Jetzt hindert dich oder die anderen nichts mehr daran, nach Herzenslust zu reisen«, meinte der Tätowierte Mann und hielt eine Hand mit den eintätowierten Siegeln hoch.
    Ich meinte, ich will diese Abenteuer zusammen mit dir erleben, wollte sie sagen, aber sie schluckte die Worte herunter. Er hatte ihr unmissverständlich klargemacht, was sie ihm bedeutete. Sie war sein Rojer. Es hatte keinen Sinn, diese Tatsache noch länger zu leugnen.
    Der Tätowierte Mann streckte seine Hand nach ihr aus. »Und du gib gut auf dich acht, Leesha.«
    Sie schlug seine Hand zur Seite und umarmte ihn. »Lebe wohl.«
    Eine Stunde später galoppierte er von der Stadt weg in Richtung Norden. In Leeshas Augen glänzten Tränen, und dennoch fühlte sie sich, als sei eine schwere Last von ihr genommen.

    Im Hospital verfiel Leesha sofort wieder in ihre alte Routine, gab den Schülerinnen Unterricht und kümmerte sich um Patienten, damit Jizell ihre liegengebliebene Korrespondenz aufarbeiten konnte. Ein Teil von ihr gierte nach den Grimoires, die sie oben in ihrem Zimmer in einer Tasche aufbewahrte, doch sie widerstand der Versuchung, sich in Arlens Bücher zu vertiefen, denn sie wusste, wenn sie erst einmal damit anfing, würde sie an nichts anderes mehr denken können. Leesha war so besessen vom Lernen wie Gared süchtig geworden war nach dem Schub von Magie, den er jedes Mal erfuhr, wenn er mit seiner Axt voller Kampfsiegel einen Horcling tötete. Doch dann beschloss sie, sich wenigstens für ein paar Stunden dem schlichten Vergnügen hinzugeben, Kräuter zu zermahlen und Patienten zu behandeln, denen nichts Schlimmeres zu schaffen machte als ein gebrochener Knochen oder eine starke Erkältung.

    Nachdem sie die letzte Runde durch die Krankenzimmer beendet und die Schülerinnen in ihre Betten gescheucht hatte, brühte Leesha eine Kanne Tee auf, nahm sich eine Tasse und ging zu Jizells Stube. Zu dieser späten Stunde wäre niemand dort, es gab

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