Das Flüstern des Windes (German Edition)
Danach gehen wir dazu über, die Muskeln an deinem Handgelenk zu stärken und deine Geschicklichkeit zu trainieren; auch dazu habe ich mir Gedanken gemacht. Aber als Erstes reden wir über den Kampf selbst, denn jede Auseinandersetzung wird im Kopf gewonnen oder verloren. Wenn du Angst vor deinem Gegner empfindest und diese Angst dich im Kampf lähmt, dann ist es vollkommen egal, wie geschickt du mit einer Waffe umgehen kannst. Noch schlimmer ist Überheblichkeit. Sie verleitet dich dazu, einen schwächeren Gegner zu unterschätzen und unaufmerksam zu werden. Viele gute Männer sind in der Arena gestorben, weil sie dachten, die Sache würde einfach werden. Glaub mir, Karem, es ist niemals einfach. Auch wenn dein Gegner verletzt ist oder am Boden liegt, es genügt immer nur ein Stoß oder ein Hieb, um dir den Tod zu bringen.«
Pinius klopfte Karem aufmunternd auf die Schulter. »Wir werden jetzt Kampfverhalten üben. Komm mit in den Hof.«
Beide schritten zur Hofmitte.
»Lass deine Waffen liegen, die brauchen wir jetzt nicht. Zuerst einmal, die Kämpfe finden fast immer zur Mittagszeit statt.« Pinius deutete mit der Hand auf die Sonne. »Zu dieser Tageszeit herrscht das beste Licht, und kein Schatten verhindert den Zuschauern den Blick auf Verletzungen, außerdem wirkt Blut im Sonnenlicht noch greller und darum geht es schließlich dem Mob. Er will Blut fließen sehen.«
Der Ausbilder seufzte leise, bevor er weiter sprach. »Die Kämpfe ziehen sich aber oft über Stunden hin, und in dieser Zeit verändert sich der Stand der Sonne. Wenn du also die Arena betrittst, vergewissere dich zuerst, woher das Sonnenlicht kommt. Du musst während des Kampfes immer versuchen, dass die Sonne in deinem Rücken bleibt und dem Gegner ins Gesicht scheint. Da er konzentriert ist, wird er die Augen zusammenkneifen und schon bald werden diese Augen ermüden. Er wird anfangen zu blinzeln. Nutze diese Momente für einen Überraschungsangriff.«
»Aber wird nicht mein Gegner genau das Gleiche mit mir versuchen?«, gab Karem zu bedenken.
»Möglicherweise, aber glaub mir mein Sohn, in der Arena sterben viele Dumme und viele Hitzköpfe, die nicht warten können.«
»Worauf warten?«
»Auf die eine Möglichkeit, die sich einem immer bietet. Auf den Bruchteil eines Augenblicks, in dem der Gegner unkonzentriert ist. Dieser Augenblick kommt immer. Übe dich in Geduld, lass dich nicht auf einen ermüdenden Schlagabtausch ein, weiche aus, warte und schlage zu wie ein Falke, der sich vom Himmel herab auf ein Kaninchen stürzt.«
»Ich werde daran denken«, versprach Karem.
»Denken allein nützt dir nichts. Du musst es verinnerlichen. Im Kampf hast du keine Zeit zu denken. Wenn etwas geschieht, dann passiert es blitzschnell. Du musst dich auf deine Reaktionen verlassen. Jetzt noch ein paar Kleinigkeiten, die sehr wichtig sein können. Poliere deine Waffen und deine Ausrüstung, bis sie funkeln. Schon mancher Gegner wurde vom reflektierenden Sonnenlicht geblendet und starb, weil er für einen kurzen Augenblick die Übersicht verlor.«
Pinius deutete auf seine Füße. »Kommen wir dazu. Jeder Kämpfer trägt geschnürte Sandalen. Manche machen den Fehler, neue Sandalen im Kampf zu tragen, um den Massen zu gefallen. Du wirst alte tragen, deren Sohlen aufgeraut sind, damit du einen festen Stand hast. Versuche, deine Füße durch Drehbewegungen auf den Fersen in den Sand zu graben, bis du ruhig stehst. Weiche mit dem Körper aus, lass deinen Gegner ins Leere laufen, während deine Beine wie Säulen stehen. Hast du das alles verstanden?«
»Ja, Herr!«
»Ab heute nennst du mich Pinius. Und jetzt werden wir üben, was wir gerade besprochen haben.«
Die Zeit verging schnell in der Gladiatorenschule. Pinius erwies sich als geduldiger aber unermüdlicher Lehrer, der Karem bis zur Erschöpfung antrieb. Meist übten sie schon im Morgengrauen, verbrachten die Mittagshitze mit Gesprächen über Kampftechniken und Taktiken und nahmen das Training wieder auf, wenn es etwas kühler geworden war. Erst, wenn das letzte Licht des Tages verstrich, kam Karem zur Ruhe. Dann fand er endlich die Zeit, sich mit Crom zu beschäftigen. Der Ork war vom täglichen Training ausgeschlossen und übte separat unter der Anleitung Hamrabis, mit einer riesigen Axt umzugehen. Aber selbst diese Waffe wirkte in seinen Pranken wie Spielzeug, wenn er herumwirbelte, die Axt sausen ließ und dicke Baumstämme zerhämmerte.
Hamrabi war sehr zufrieden mit den Fortschritten
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