Das fremde Gesicht
Aufklärung ihrer Ermordung sein.
Mac fuhr normalerweise gern Auto. Es war eine gute Gelegenheit zum Nachdenken. Heute jedoch waren seine Gedanken ganz durcheinander und kreisten um ungelöste Probleme. Die Fahrt durch Westchester zur Tappan Zee Bridge schien sich länger als sonst hinzuziehen. Die Tappan Zee Bridge – dort, wo alles vor beinahe zehn Monaten seinen Anfang nahm, dachte er.
Von hier aus dauerte es noch anderthalb Stunden bis nach Trenton. Mac traf um halb elf im Valley Memorial Hospital ein und fragte nach dem Direktor. »Ich hab’
gestern angerufen, und es hieß, daß ich ihn sprechen kann.«
Frederick Schuller war ein stämmiger Mann von etwa fünfundvierzig, dessen nachdenkliche Art im Widerspruch zu seinem bereitwilligen, warmen Lächeln stand. »Ich hab’ schon von Ihnen gehört, Dr. MacIntyre. Ihre Arbeit auf dem Gebiet der Gentherapie in der Humanmedizin ist mittlerweile ziemlich aufregend, nehme ich an.«
»Sie ist wirklich aufregend«, bestätigte Mac. »Wir stehen haarscharf vor dem Durchbruch zu einem Verfahren, mit dem wir eine ganze Menge schrecklicher Krankheiten verhindern können. Am schwierigsten dabei ist, die Geduld für empirische Untersuchungen aufzubringen, wenn so viele Menschen auf praktikable Lösungen warten.«
»Ja, sicher. Ich habe diese Art von Geduld nicht; aus dem Grund wäre ich auch nie ein guter Forscher geworden. Mit anderen Worten, wenn Sie einen Tag opfern, um hierherzukommen, müssen Sie einen wirklich guten Grund dafür haben. Meine Sekretärin hat gesagt, daß es dringend ist.«
Mac nickte. Er war froh, zur Sache zu kommen. »Ich bin wegen des Skandals um die Manning Clinic hier.«
Schuller runzelte die Stirn. »Das ist wahrhaftig eine scheußliche Situation. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendeine Frau, die hier am Dowling-Institut als Sekretärin gearbeitet hat, in der Lage war, sich als Embryologin zu verkaufen, ohne daß es jemand merkt. Da hat wirklich jemand Mist gebaut.«
»Oder jemand hat eine äußerst lernfähige Person ausgebildet, wenn auch, wie man sieht, nicht gut genug.
Sie stoßen jetzt auf eine Menge Probleme in dem Labor, und wir reden hier von schwerwiegenden Problemen wie etwa der möglichen Fehletikettierung von Reagenzgläsern mit kältekonservierten Embryos oder sogar ihrer absichtlichen Vernichtung.«
»Wenn irgendein Gebiet nach neuer Gesetzgebung auf Bundesebene schreit, dann allen voran die künstliche Befruchtung. Die Möglichkeit von Fehlern ist einfach enorm. Man braucht bloß ein Ei mit dem falschen Sperma zu befruchten, und falls der Embryo erfolgreich eingepflanzt wird, kommt ein Säugling zur Welt, dessen genetische Struktur sich zu fünfzig Prozent von dem unterscheidet, was die Eltern mit Fug und Recht voraussetzen durften. Das Kind hat vielleicht medizinische Probleme geerbt, die man nicht vorhersehen kann. Ich –«
Er brach unvermittelt ab. »Entschuldigen Sie, ich weiß, ich trage hier ja Eulen nach Athen. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Meghan Collins ist die Tochter von Edwin Collins, dem Mann, dem man die Vermittlung von Helene Petrovic an die Manning Clinic mit gefälschten Zeugnissen vorwirft. Meg ist Reporterin für PCD Channel 3 in New York. Letzte Woche hat sie mit der Chefin des Dowling-Instituts über Helene Petrovic gesprochen. Offenbar hatten einige von Petrovics Kolleginnen den Eindruck, daß sie sich oft mit einem Arzt vom Krankenhaus hier getroffen hat, aber niemand weiß, wer das ist. Ich versuche Meg dabei zu helfen, ihn zu finden.«
»Ist Mrs. Petrovic nicht schon vor sechs Jahren von Dowling weggegangen?«
»Vor beinahe sieben Jahren.«
»Ist Ihnen bewußt, wieviel medizinisches Personal wir hier haben, Dr. MacIntyre?«
»Ja, durchaus«, erwiderte Mac. »Und ich weiß, daß Sie auch Fachkräfte haben, die zwar nicht angestellt sind, aber regelmäßig von Ihnen zu Rate gezogen werden. Es ist ein Schuß ins Blaue, aber zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Polizei überzeugt ist, daß Edwin Collins Mrs. Petrovic ermordet hat, können Sie sich vorstellen, wie verzweifelt seine Tochter herausfinden will, ob es in ihrem Leben jemanden gab, der Grund gehabt hätte, sie umzubringen.«
»Ja, das sehe ich ein.« Schuller begann sich Notizen auf einem Block zu machen. »Haben Sie eine Ahnung, wie lange sich wohl Mrs. Petrovic mit diesem Arzt getroffen hat?«
»Soweit ich informiert bin, ein oder zwei Jahre, bevor sie nach Connecticut ging. Aber das ist bloß eine Vermutung.«
»Es ist ein
Weitere Kostenlose Bücher