Das fremde Gesicht
nicht konzentrieren kann«, erläuterte Meg. »Victor hat nach etwas Wichtigem gesucht, und wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht.«
Catherine musterte ihre Tochter. Meg trug eine karierte Seidenhemdbluse und legere lange Hosen. Ihr haselnußbraunes Haar reichte ihr jetzt fast bis zu den Schultern und war zurückgebürstet. Daran liegt es, dachte Catherine. Ihre Haare sind genau um das bißchen länger.
Sie mußte an das Bild von Annie Collins in den Zeitungen von gestern denken.
»Meg, ich hab’s mir genau überlegt. Ich werde dieses Angebot fürs Drumdoe annehmen.«
»Was wirst du?«
»Virginia gibt mir recht. Die Unkosten sind einfach zu hoch. Ich will nicht, daß der Gasthof zum Schluß noch versteigert wird.«
»Mom, Dad hat Collins and Carter gegründet, und selbst unter den gegebenen Umständen muß es doch einen Weg geben, wie du etwas Geld aus der Firma nehmen kannst.«
»Meg, wenn es einen Totenschein gäbe, dann wäre die Firmenversicherung fällig. Mit den anstehenden Gerichtsverfahren gibt’s aber bald keine Firma mehr.«
»Was sagt Phillip dazu? Er läßt sich übrigens in letzter Zeit ziemlich oft sehen«, sagte Meg, »häufiger als in all den Jahren, die er mit Dad gearbeitet hat.«
»Er versucht, freundlich zu sein, und ich schätze das.«
»Ist es nicht mehr als nur Freundlichkeit?«
»Hoffentlich nicht. Da würde er einen Fehler machen.
Ich muß mich mit viel zuviel auseinandersetzen, bevor ich in dieser Hinsicht auch nur an jemanden denke.« Leise sagte sie dann: »Aber bei dir ist das anders.«
»Was soll denn das jetzt heißen?«
»Es heißt, daß Kyle nicht gerade ein As im Abräumen ist. Er hat euch beide im Auge behalten und mit großer Befriedigung berichtet, daß Mac dich geküßt hat.«
»Ich hab’ kein Interesse –«
»Hör auf damit, Meg«, warf Catherine ein. Sie ging um den Schreibtisch herum, zerrte die untere Schublade heraus, zog ein Bündel Briefe hervor und warf sie auf den Schreibtisch. »Sei nicht wie dein Vater ein Gefühlskrüppel, weil er Zurückweisung nicht verzeihen konnte.«
»Er hatte allen Grund, seiner Mutter nicht zu vergeben!«
»Als Kind, ja. Als Erwachsener mit einer Familie, die ihn von Herzen liebte, nein. Vielleicht hätte er Scottsdale nicht nötig gehabt, wenn er nach Philadelphia gegangen wäre und sich mit ihr versöhnt hätte.«
Meg hob die Augenbrauen. »Du kannst ganz schön zuschlagen, weißt du das?«
»Darauf kannst du dich verlassen. Meg, du liebst Mac.
Du hast ihn schon immer geliebt. Kyle braucht dich. Also stell dich um Himmels willen nicht so an und hör auf, Angst zu haben, daß Mac so idiotisch sein könnte, Ginger wieder zu wollen, falls sie je wieder in seinem Leben auftauchen sollte.«
»Dad hat dich immer ›mächtige Maus‹ genannt.« Meg spürte, wie ihr die Tränen kamen.
»Ja, das stimmt. Wenn ich wieder zum Gasthof geh’, ruf ich die Immobilienmakler an. Eins aber versprech’ ich dir.
Ich werde den Preis so weit hinaufschrauben, bis sie um Gnade betteln.«
Um halb zwei, kurz bevor sie zum Gasthof zurückkehrte, steckte Catherine den Kopf ins Arbeitszimmer. »Meg, weißt du noch, wie ich gesagt hab’, daß mir Palomino Lederwaren irgendwie bekannt vorkommt? Ich glaube, Annies Mutter hat dieselbe Botschaft einmal hier zu Hause für Dad hinterlassen. Es muß Mitte März vor sieben Jahren gewesen sein. Ich weiß das noch so genau, weil ich damals, als Dad dein Fest zum einundzwanzigsten Geburtstag verpaßt hat, so außer mir war, daß ich ihm erklärt hab’, als er schließlich mit einer Ledertasche für dich nach Hause kam, ich würde sie ihm am liebsten an den Kopf knallen.«
Am Samstag konnte Bernies Mutter überhaupt nicht mehr aufhören zu niesen. Ihre Nebenhöhlen taten weh, und sie spürte ein Kratzen im Hals. Sie mußte etwas unternehmen.
Bernard hatte bestimmt im Keller schon lange nicht mehr Staub gewischt, das wußte sie einfach. Keine Frage, daran mußte es liegen. Jetzt zog der Staub durch das ganze Haus.
Sie wurde von Minute zu Minute wütender und aufgeregter. Um zwei Uhr schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Sie mußte da hinuntergehen und saubermachen.
Als erstes schwang sie den Besen und die Kehrschaufel und den Mop hinunter. Dann füllte sie eine Plastiktüte mit Lappen und Putzmittel und warf sie die Stufen hinab. Sie landete auf dem Mop.
Schließlich band sich Mama die Schürze um. Sie befühlte das Geländer. Es war gar nicht so locker. Es würde ihr schon Halt geben.
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