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Das Fremde Mädchen

Das Fremde Mädchen

Titel: Das Fremde Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Gebete in der Kirche vor.
    »Hat die Glocke schon zur Prim geläutet?« fragte Haluin, der sich eifrig aufrichtete.
    »Nein, es wird, dem Licht nach zu urteilen, noch eine halbe Stunde dauern. Wir werden die Kirche eine Weile für uns allein haben, wenn Ihr wollt.«
    »Ein guter Einfall«, sagte Haluin und folgte ihm erfreut in den kleinen Hof und zum südlichen Eingang des Kreuzganges. Der Rasen im Garten war feucht und grün, die Blässe des Winters war über Nacht verschwunden. Der zarte Flaum der Knospen, der vor einigen Tagen in den Bäumen noch kaum wahrnehmbar gewesen war, hatte nun eine kräftige Farbe angenommen und sich zu einem zarten grünen Schleier entwickelt. Noch ein paar dieser milden Tage und ein wenig Sonne, und der Frühling wäre da. Im klaren flachen Wasser des Steinbassins flatterten und kreischten kleine Vögel, die die Veränderung sicher spürten. Inmitten dieser hoffnungsvollen Vorzeichen näherte sich Bruder Haluin der kleinen Kirche von Farewell. Gewiß würde diese erste Kirche später vergrößert oder ersetzt, sobald die wichtigsten anderen Gebäude der Abtei errichtet waren, wenn die finanziellen Verhältnisse geklärt und die Abtei etwas bekannter war. Und doch würde man sich an diesen ersten Bau, so klein und bescheiden er auch war, immer liebevoll erinnern. Wenn er ersetzt wurde, würden es jene, die wie Schwester Ursula und Schwester Benedicta bei seiner Geburt zugegen gewesen waren und geholfen hatten, sicherlich bedauern.
    Sie hielten ihre Andacht gemeinsam in der düsteren, steinernen Stille, knieten vor der kleinen Altarlampe und sprachen lautlos ihre Gebete. Das Licht wurde allmählich heller und weicher, die ersten verschleierten Strahlen der aufgehenden Sonne lugten durch die Pfosten der Enklave und tauchten die Ostwand in blasses Rosa. Immer noch kniete Bruder Haluin, die Krücken neben sich gelegt.
    Cadfael erhob sich als erster. Die Prim würde bald beginnen, und es könnte für die jungen Schwestern eine unangenehme Überraschung sein, wenn sie zur Morgenandacht zwei unbekannte Männer vorfanden, auch wenn es sich um Mönche aus dem gleichen Orden handelte. Er blieb in der Südtür stehen, betrachtete den Garten und wartete, ob Haluin beim Aufstehen seine Hilfe brauchte.
    Eine der Schwestern stand an der Steinschale in der Mitte des Gartens. Schlank und aufrecht und gefaßt schien sie, während sie die Vögel fütterte. Sie krümelte Brot auf den breiten Rand der Schale und hielt Krümel in der flachen Hand hoch; die flatternden, schwatzenden und sirrenden Vögel näherten sich ihr ohne Furcht. Die schwarze Kutte betonte ihre schlanke Figur, und ihre Haltung verriet eine jugendliche Anmut, die Cadfael plötzlich sehr bekannt vorkam. Die Haltung des Kopfes auf dem langen Hals, die geraden Schultern, die schmalen Hüften und die elegante, schlanke Hand, die den Vögeln Krumen anbot, all dies hatte er schon einmal gesehen, an einem anderen Ort und in anderem, täuschendem Licht. Nun stand sie im Freien im weichen Morgenlicht, und er konnte nicht glauben, daß er sich irrte.
    Helisende war hier in Farewell. Helisende in einer Nonnenkutte. Die Braut war vor den unerträglichen Konflikten geflohen und streifte lieber den Schleier übers Haupt, bevor sie einen anderen als ihren unglücklichen Liebhaber Roscelin heiratete. Sie konnte noch keine Gelübde abgelegt haben, aber die Schwestern hatten es offenbar für ratsam gehalten, ihr angesichts ihrer Sorgen sofort den Schutz der Kutte zu gewähren, noch bevor ihr Noviziat begonnen hatte.
    Sie hatte ein gutes Gehör, vielleicht hatte sie auch von Westen, wo das Dormitorium der Schwestern lag, den leichten Schritt einer Gefährtin erwartet. Jedenfalls hörte sie jemand, der sich ihr aus der nämlichen Richtung näherte, wandte sich um und wollte den Neuankömmling lächelnd begrüßen. Die gemessene und ruhige Bewegung strafte die Jugend Lügen, die Cadfael einen Moment zuvor aufgefallen war, und nun konnte er endlich einen Blick auf ihr Gesicht werfen. Er hatte diese Frau noch nie zuvor gesehen.
    Kein junges, unerfahrenes Mädchen, sondern eine heitere, reife und nicht mehr junge Frau. Seine Wahrnehmung in der Halle von Vivers verwandelte sich in Wirklichkeit, aus Illusion wurde Realität, aus dem Mädchen wurde eine Frau. Dann eilten Cadfaels Gedanken wieder zurück von der Frau zum Mädchen.
    Nicht Helisende war es, die Frau war ihr nicht einmal ähnlich, abgesehen von der hohen weißen Stirn und dem zarten, etwas wehmütigen

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