Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
Einwirkung entstünde vielleicht ein Hin und Her, und zuletzt wäre das Gesicht, das die Öffentlichkeit zu sehen bekäme (oder das ihr vorenthalten wird), unansehnlich oder die Leiche geriete an eine Stelle der Welt, wo sie von Bewunderern (auch heimlichen) besucht werden könnte. Oder aber die Regeln einer islamischen Beisetzung blieben unberücksichtigt. Man kann so viel falsch machen inmitten einer eiligen Kommunikation und im Geschnatter der Kompetenzen. Hier setze ich, als politischer Designer, die Maßstäbe.
Wir haben also sofort die DNA -Proben in den Geschäftsgang gegeben. Man kann sie nicht in einem Militärhospital in Afghanistan und noch weniger auf einem Kriegsschiff mit den Vergleichsproben abgleichen, das geschieht an ganz anderen Orten der Welt, und die Entfernung muß das kostbare Retortengut überwinden. Der nackte Tote war aufgebahrt und wurde gescannt, danach provisorisch bekleidet. Das Transportteam drängte, das die Leiche zum Flugzeugträger Carl Vinson bringen sollte. Der Tote mußte nach 24 Stunden »unter die Erde gebracht sein«.
Wir hatten über die schnellen Kanäle 114 Regierungen routinemäßig abgefragt, ob sie bereit wären, den Toten zu übernehmen. Auf der Hälfte des Planeten geschah das zur Nachtzeit, auf der anderen zur Tageszeit. Wir sorgten durch die Art der Bedingungen, die wir stellten, und durch das Tempo der Anfragen dafür, daß keine positiven Antworten hereinkamen. In bezug auf Venezuela, Kuba oder Weißrußland war besondere Vorsicht angesagt. Warum machten wir uns überhaupt Gedanken darüber (auf mein Anraten hin), daß dieser Anstifter großer Verbrechen durch korrekte Bestattung den Weg ins Paradies fände? Eben weil dies die beste Erklärung für unsere Eile war. Gleichzeitig zeigte es Höflichkeit.
Daß der Tote vom Flugzeugträger aus ins Meer versenkt wurde, sozusagen in die »Wasser des Vergessens«, war einer meiner besten Einfälle. Ich stimmte das sogleich mit Washington und den Verbündeten ab. Es handelte sich dabei um eine weite Auslegung der Vorschrift »unter die Erde bringen«. Der Indische Ozean ist an der betreffenden Stelle 3000 Meter tief, und erst am Ende des »Sinkflugs« berührt der Tote eine Art »Erdboden«, der ihn dann aber nicht bedeckt. Wir gehen in freier Auslegung des Korans davon aus, daß der Planet als Einheit mit Himmel, Meer und Kontinenten das Wort Erde und damit das Wort Grab abdeckt. So wäre auch eine Himmelsbestattung: Aussetzung der Leiche in größter Höhe noch zulässig.
Auf diese Weise töten Adler Schlangen, indem sie diese Beute aus großer Höhe wiederholt auf die Erde fallen lassen, bis sie tot, zerstückelt und zum Verzehr durch den kleinen Adlerschnabel geeignet ist.
Das Ganze war in der 23. Stunde abgewickelt, die auf den Kopfschuß folgte. Das verwüstete Antlitz hatten wir kenntlich hergerichtet, auch wenn inzwischen entschieden war, daß die Weltöffentlichkeit sich kein Bild vom Toten machen sollte. Besser ist es, wenn sich die von den Fernsehstationen gezeigten Bildsequenzen, die es von dem Lebenden gibt, so lange wiederholen, daß die Gewöhnung des Auges sie verschwinden läßt.
Während die Vollstrecker (die Navy-Seals) Auszeichnungen erhielten, wird unser mitentscheidendes logistisches Tun nicht erwähnt, auch wenn es genausoviel Nerven gekostet hat wie der kühle Schuß, der das Leben des unheimlichen Mannes beendete.
Ein Team alteingesessener Delphine
In der Nähe des US -Flugzeugträgers Carl Vinson spielte eine Schule von Delphinen. Als die in einen Seesack gehüllte Leiche des GROSSEN TEUFELS von einem Hubschrauber aus in die See geworfen wurde, stupsten sie das ihnen unverständliche Objekt mit den Schnauzen vorwärts und zur Oberfläche hin wie einen Ball. Es entsprach ihrem eingewurzelten Instinkt, dieses Etwas, das sie zwar nicht für eines ihrer Jungen hielten, das aber entfernt dafür gehalten werden konnte, nach oben und nach vorn zu stoßen, sozusagen als Ersatz oder Spielzeug, damit es auftauchen und nach Luft schnappen könnte, wenn es nottäte.
So gelangte das Team nach zwei Wochen, in welchen der Tote nie tiefer sank als 200 Meter, an die Küste von Pundtland. Der gestrandete Seesack wurde von somalischen Seeleuten gefunden, die Leiche getrocknet und als Mumie unter der Vorgabe, dies sei der Märtyrer Bin Laden, an jene Handelskette für Antiquitäten verkauft, welche auch Abnehmer für geraubte Kunstschätze und Sarkophaginhalte der Pharaonengräber war. Die Händler meinten,
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