Das fünfte Paar
es so ist -, dann sieht er sich als den perfekten Soldaten: Er tötet, ohne gefaßt zu werden, er überlistet den Feind, spielt mit ihm und gewinnt. Es ist durchaus denkbar, daß er seinen Modus operandi darauf ausgerichtet hat, den Verdacht zu erwecken, der Täter sei ein Berufssoldat - oder sogar jemand aus Camp Peary.«
»Das ist seine Irreführungskampagne«, dachte ich laut.
»Er kann das Militär nicht zerstören«, fügte Wesley hinzu. »Aber er kann versuchen, dessen Image zu schädigen.«
»Und die ganze Zeit über lacht er sich ins Fäustchen«, brummte Marino.
»Ich glaube, die Aktivitäten des Mörders sind das Produkt gewalttätiger und sexualisierter Phantasien, die er aufgrund seiner sozialen Isolation schon sehr früh entwickelt hat - er ist davon überzeugt, in einer ungerechten Welt zu leben, und diese Phantasien bieten ihm eine Fluchtmöglichkeit. In ihnen kann er seine Gefühle ausleben und andere Menschen beherrschen - sein und bekommen, was er will. Er hat Macht über Leben und Tod. In seiner Macht steht es, zu verletzen oder zu töten.«
»Ein Jammer, daß er sich nicht auf seine Phantasien beschränkt hat«, meinte Marino. »Dann wären zwölf junge Leute heute noch am Leben.«
»Das konnte er auf Dauer nicht«, erklärte Benton. »Wenn das Denken eines Menschen von gewalttätigem, aggressivem Verhalten beherrscht wird, dann beginnt er irgendwann, es auszuleben. Gewalttätigkeit bietet Nährstoff für weitere gewalttätige Gedanken, und weitere gewalttätige Gedanken bieten Nährstoff für weitere Gewalttaten. Nach einer Weile ist das Morden für ihn ein ganz selbstverständlicher Teil seines Lebens, und er sieht nichts Unrechtes darin. Ich hatte schon mit Serienmördern zu tun, die mir voller Überzeugung erklärten, sie täten eben das, woran alle anderen nur dächten.«
»Was für eine makabre Rechtfertigung«, sagte ich. Und dann berichtete ich Benton und Marino von meiner Theorie über Deborahs Handtasche: »Ich halte es für möglich, daß der Täter wußte, wer Deborah war. Vielleicht nicht von vornherein - aber später.«
»Bitte erklären Sie das.« Wesley und Marino sahen mich gespannt an.
»Hat einer von Ihnen den Bericht über die Fingerabdrücke gelesen?«
»Ja - ich«, antwortete Marino.
»Wie Sie wissen, fand Vander, als er den Inhalt der Handtasche untersuchte, Spuren auf den Kreditkarten, aber nicht das geringste auf dem Führerschein.«
»Und?« fragte Marino.
»Die Sachen waren gut erhalten, weil die Tasche aus Nylon war und damit wasserdicht - und Kreditkarten und Führerschein steckten in einem Reißverschlußfach und waren so doppelt gegen die Elemente wie gegen die Körperflüssigkeiten geschützt. Hätte Vander gar nichts gefunden, läge die Sache anders - aber ich finde es interessant, daß ausgerechnet der Führerschein völlig sauber ist, denn wir wissen, daß Deborah ihn vorzeigen mußte, als sie in dem Seven-Eleven Bier kaufen wollte. Also hatte sie ihn in der Hand - und Ellen Jordan, die Angestellte, ebenfalls. Und das brachte mich auf die Idee, daß der Mörder ihn vielleicht auch anfaßte und hinterher abwischte.«
»Warum sollte er?« wollte Marino wissen.
»Vielleicht sagte Deborah ihm, wer sie war, als er bei ihnen im Wagen saß und sie mit der Waffe bedrohte«, antwortete ich.
»Gar nicht schlecht«, meinte Wesley anerkennend. »Deborah mag ja ein bescheidenes Mädchen gewesen sein - aber sie war sich der Prominenz und Macht ihrer Mutter durchaus bewußt«, fuhr ich fort. »Es könnte doch sein, daß sie den Mörder mit ihrer Eröffnung einzuschüchtern und sogar in die Flucht zu schlagen hoffte, weil er befürchten mußte, mit allen Hunden gehetzt zu werden, wenn er ihnen etwas antäte. Sicherlich wäre er erschrocken und hätte einen Beweis für ihre Identität verlangt, ihr die Handtasche entrissen und den Führerschein herausgenommen.«
»Aber warum nahm er die Handtasche mit in den Wald?« fragte Marino. »Und warum steckte er den Herzbuben rein?«
»Ich denke, im ersten Schrecken wollte er ganz auf die Spielkarte verzichten, damit der Eindruck entstünde, daß das Verschwinden von Deborah und Fred nicht auf sein Konto gehe - aber dann trieb seine Eitelkeit ihn doch dazu, seine "Visitenkarte" zurückzulassen, aber diesmal bei der Leiche. So konnte er die Polizei zunächst in die Irre führen und dann verblüffen - ein zusätzlicher Triumph.«
»Klingt gut. Was meinen Sie?«
Marino sah Wesley an. »Ich meine, daß wir wohl nie
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