Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
kam die Empfangschefin aus ihrem Büro hinter dem Schalter.
«Haben Sie noch Zimmer frei?», fragte Ben.
«Nein, Monsieur, wir sind ausgebucht.»
«Überhaupt nichts frei? Es ist doch noch längst nicht Hochsaison.»
«Wir haben eine Gruppe englischer Touristen hier, Monsieur, für die Tour Cathare . Fast jedes Zimmer ist belegt.»
«Fast?»
«Wir haben nur noch unsere beste Suite frei. Aber sie ist normalerweise … Ich meine, sie ist reserviert für …»
«Wir nehmen sie», sagte Ben ohne Zögern. Er griff in seine Tasche und nahm den falschen Ausweis auf den Namen Paul Harris hervor. «Soll ich gleich bezahlen?» Er legte ihr den Ausweis auf den Tresen und ließ sie das Bargeld sehen. Es war genug in der Brieftasche, um das gesamte Hotel für einen ganzen Monat zu mieten. Die Augen der Rezeptionistin weiteten sich. «N-nein, Monsieur, das ist nicht nötig», stammelte sie.
Sie hämmerte auf eine Klingel. «Joseph!», rief sie mit bellender Stimme, und ein verschrumpelter alter Knabe in Pagenuniform tauchte an ihrer Seite auf. «Zeig Madame und Monsieur ’arris die Honeymoon Suite .»
Joseph nahm ihre Taschen, führte sie die Treppe hinauf, öffnete eine Tür und schlurfte in die Suite.
«Legen Sie das Gepäck einfach aufs Bett», wies Ben ihn an und gab ihm eine große Banknote als Trinkgeld, weil er kein Kleingeld hatte.
Roberta sah sich in der Suite um. Das Vorzimmer mit einem Sofa, Lehnsesseln und einem niedrigen Tisch öffnete sich zu einem riesigen Raum, der von einem Himmelbett beherrscht wurde. Das Bett stand auf einem riesigen roten Liebesherz. Auf einem Tisch gab es Blumen und eine Schale mit Süßigkeiten sowie Statuetten von Bräuten in weißen Kleidern und Bräutigamen in Smokings.
Ben setzte sich auf das Bett und trat sich die Schuhe von den Füßen. Sie fielen auf den Herzteppich, wo er sie achtlos liegen ließ. Was für ein absurdes Zimmer , dachte er. Wäre Roberta nicht gewesen, er hätte im Wagen übernachtet, irgendwo in einem Waldstück abseits der Straße. Er zog seine Jacke und das Halfter aus und warf beides aufs Bett, dann lehnte er sich zurück und streckte die müden Muskeln. Dann fiel ihm sein Flachmann ein, und er griff in die Tasche. Er war verbeult, wo er die Kugel abgefangen hatte. Hätte die .380er aus rechtem Winkel getroffen, wäre der Behälter glatt durchschlagen worden.
Er starrte den Flachmann sekundenlang nachdenklich an. Noch ein Leben verbraucht , dachte er, nahm einen großen Schluck und steckte ihn wieder ein.
«Wird Anna wieder gesund?», fragte Roberta leise.
Er biss sich auf die Lippe. «Ja. Ich denke schon. Sie muss wahrscheinlich genäht werden und hat einen Schock erlitten. Ich telefoniere morgen früh herum und finde heraus, in welchem Krankenhaus sie liegt.» Wenigstens war sie in Sicherheit. Die Sanitäter hatten zweifelsohne die Polizei gerufen, sobald sie auf den Toten neben dem Wagen gestoßen waren, und Anna würde im Krankenhaus unter Polizeischutz stehen.
«Wie sind sie an Anna gekommen, Ben? Was wollten sie von ihr?»
«Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit», murmelte er.
«Und der tote Mann draußen vor ihrem Haus. Wer war das?» Er zuckte die Schultern. «Ich weiß es nicht. Vielleicht ein Freund von Anna, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.»
Roberta seufzte. «Ich ertrage das alles nicht … Ich gehe erst mal duschen.»
Er saß da und lauschte abwesend dem Plätschern des Wassers im Hintergrund. Er war entsetzt über sich selbst. Es war reines Glück, dass sie rechtzeitig bei Anna gewesen waren. Ben hatte in seinem Leben schrecklich viel Tod und Leiden gesehen. Aber nicht einmal er wollte sich vorstellen, unter welchen Qualen Anna ihr Leben verloren hätte, wären sie auch nur fünf Minuten später gekommen.
Vor langer Zeit hatte er sich selbst geschworen, nie wieder zuzulassen, dass andere wegen seiner Fehler zu Schaden kamen. Und doch war es irgendwie wieder geschehen. Diese Leute waren ihm dicht auf den Fersen, und die Anschläge auf Leib und Leben von Menschen stiegen in atemberaubende Höhen.
Ben traf eine Entscheidung. Gleich am nächsten Morgen würde er Roberta nach Montpellier bringen und in ein Flugzeug in die Vereinigten Staaten setzen. Er würde am Flughafen bleiben und warten, bis er sah, wie die Maschine mit ihr an Bord vom Boden abhob. Das hätte er gleich zu Anfang machen sollen.
Er ließ den Kopf in die Hände sinken und versuchte die nagenden Schuldgefühle abzuschütteln. Irgendwie schien es
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