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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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nicht allein.«
    »Was?«
    »Jemand beobachtet uns«, sagte Heide leise.
    Raupach vermied es sich umzusehen. »Wo?«
    »Kann ich nicht genau sagen.« Sie griff nach ihrer Pistole. »Im Gebüsch. Hinter einem Baum.«
    Es war fast vollkommen still im Nordpark. Entfernte Verkehrsgeräusche, das Brausen eines Düsenflugzeugs am Himmel. Keine Schritte auf dem Weg oder dem Rasen, keine knackenden Zweige oder raschelndes Laub. Der Halbmond spendete noch immer ein sanftes Licht. Lampen gab es nicht. Die Jogger forderten von der Stadtverwaltung schon seit langem eine Beleuchtung.
    »Bist du sicher?«, fragte er und presste sie an sich.
    »Ja.«
    »Gut, wir drehen uns langsam um die eigene Achse, wie ein Liebespaar. Achte auf ein Gesicht. Oder auf Augen.«
    Die Glock ruhte schussbereit an seiner Brust. An der Wange spürte er Heides Haar.
    Sie starrten in die Nacht und vollführten dabei eine unbeholfene Pirouette. Im Umkreis von zehn, zwanzig Metern war niemand zu sehen, auch nicht in der Vegetation. Eine Baumgruppe blieb ein unbeweglicher, gleichmäßig dunkler Fleck.
    »Wir bieten ein leichtes Ziel«, zischte Heide. »Zwei Bullen auf dem Präsentierteller.«
    »Da ist nichts. Oder kannst du was erkennen?«
    »Ich spüre es.«
    »Das bildest du dir nur ein.«
    »Meine Instinkte sind besser als GPS.«
    »Sollen wir den ganzen Park absuchen?« Raupach holte Luft. Er wollte »Ist da wer?« oder so etwas rufen, doch Heide hielt ihm den Mund zu.
    Sie holte einen Schalldämpfer aus ihrer Einsatzjacke und schraubte ihn auf die mattschwarz brünierte Pistole. Dabei stand sie immer noch dicht vor ihm und spähte über seine Schulter. »Schrecken wir die Bevölkerung nicht auf.«
    »Was wird das, wenn’s fertig ist?«
    Sie sprang zur Seite, brachte die Waffe in Anschlag und feuerte auf die Baumgruppe. Dreimal, Raupach zählte mit. Plop-plop-plop, es klang wie Reinigungsstäbchen aus Watte, wenn man sie aus dem Ohr herauszieht.
    Splitterndes Holz. Sonst war nichts zu hören.
    »Entweder hast du vorbeigeschossen. Oder es tut ihm nicht weh«, spottete Raupach, obwohl ihm gar nicht danach zumute war. Einfach so rumzuballern! Heide sah Gespenster, langsam schien sie den Verstand zu verlieren. Ihr Verfolgungswahn war schlimmer, als er vermutet hatte.
    »Ich gehe nachsehen.« Sie begann geduckt vorzurücken.
    »Du tust nichts dergleichen.« Er machte ein paar schnelle Schritte und griff ihr in den Arm. »Ist dein Schalldämpfer überhaupt registriert?«
    »Genauso wenig wie die Glock. Privatbesitz.«
    »Verdammt!« Polizisten mussten jede aus der Dienstwaffe verschossene Kugel genau dokumentieren. Sie konnten alle möglichen Pistolen oder Revolver zu ihrer Dienstwaffe erklären, Reintgen hatte zum Beispiel einen Smith & Wesson. Über jedes Projektil wurde genau Buch geführt, schon allein, um Schießereien zu rekonstruieren. Aber es war strengstens verboten, nicht deklarierte Waffen mit sich zu führen oder gar zu benutzen. Die Glock war Glück im Unglück: Heide brauchte nicht nachzuweisen, wo ihre Kugeln gelandet waren, weil es sie offiziell gar nicht gab.
    »Schluss jetzt!« Raupach machte dem Spuk ein Ende. »Wir verschwinden hier.«
    Heide kniete auf dem Boden. Ihre Pistole suchte immer noch nach einem Schemen in der Baumgruppe. Klemens hatte nichts kapiert, rein gar nichts.
    »Komm schon! Du hast dich geirrt.« Er drängte. »Willst du dich mit Gewalt in die Scheiße reiten?«
    »Gleich nachher kriegst du meine Kündigung. Schriftlich, damit alles seine Ordnung hat.« Mit einer federnden Bewegung richtete sie sich auf.
    Raupach hob die Hände. »Ich hab nichts gesehen. Hier ist überhaupt nichts passiert.«
    »Stimmt«, sagte sie bitter und steckte die Pistole wieder ins Holster. Sie sah sich herausfordernd um, als wolle sie absichtlich ein Ziel abgeben. »War alles nur Einbildung.«
    Sie gingen weiter. Er wollte Heide in den Arm nehmen, aber sie schüttelte ihn ab. Stand wohl noch unter Strom, dachte Raupach und ließ sie in Ruhe.
    Als sie sich dem Wagen näherten, war das Funkgerät an der Mittelkonsole schon durch die geschlossene Tür zu hören.
    »Ist das deine Interpretation von Innendienst?«, meinte Raupach und nahm auf der Beifahrerseite Platz.
    Heide ignorierte ihn und forderte die Zentrale auf, die letzte Meldung zu wiederholen.
    Am Niederländer Ufer, in den Wiesen am Rhein, war ein totes Kind gefunden worden.
    »Da hast du deine Erschütterung.« Heide trat aufs Gas.
     
    DAS BLAULICHT DER POLIZEIAUTOS, die hintereinander

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