Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
sie. “Und alle haben losgeheult, als sie sie zum ersten Mal sahen. Aber spätestens in einer Woche sind die Kinder ganz vernarrt in sie. Glauben Sie mir.”
“Danke.”
Sie stand auf, als Mrs. Rice zu ihnen zurückkam.
“Okay, Cory. Jetzt ist es Zeit, dass du ins Zimmer kommst und deine Mutter nach Hause geht. Und Sie, Mrs. Elliott, sollten sich entspannen. Sie halten sie von Sekunde zu Sekunde fester.”
Wirklich? Eve blickte auf ihre Hände, die Corys Schultern umklammerten. Die Fingerknöchel waren schon ganz weiß. Sie machte einen Schritt zurück.
“Sehr gut!”, rief Mrs. Rice. “Gehen Sie jetzt. Na los.” Eve trat noch einen Schritt nach hinten und Mrs. Rice schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
“Mom!”, schrie Cory. “Mommy, lass mich nicht allein!”
Eve legte die Hand für einen Moment auf die Türklinke. Doch dann marschierte sie schnell aus dem Gebäude ins Sonnenlicht. Sie hätte schwören können, dass sie Corys Schreie auf dem ganzen Heimweg hörte.
29. KAPITEL
N ach ihrem Bachelorabschluss bekam Eve eine feste Stelle im Cartwright House, dem Jugendheim, in dem sie schon während des Studiums gejobbt hatte. Leider verdienten sie beide nur wenig und ohne Jacks Eltern hätten sie es sicher nicht geschafft. Aber die Arbeit mit den Jugendlichen machte ihr nach wie vor Freude. In so vielen von ihnen erkannte sie sich selbst wieder. Wenn sie ihnen zuhörte und sie beobachtete, wurde ihr klar, wie weit sie in den letzten sechs Jahren gekommen war. Was für ein Glück, dass sie eine zweite Chance bekommen hatte.
Cory aber erinnerte sie täglich an ihre Vergangenheit. Eve setzte alles daran, eine gute Mutter zu sein, und all ihre Freunde machten ihr ständig Komplimente, weil sie ihre eigenen Bedürfnisse immer an zweite Stelle setzte. Doch Cory war nach wie vor anhänglich und unsicher. Irgendetwas musste Eve falsch machen. Und als Mrs. Rice sie eines Tages zu einem Gespräch bat, wusste sie sofort, worum es sich handeln würde.
“Sie ist so eine niedliche kleine Bohnenstange”, begann Mrs. Rice, nachdem Eve und Jack sich gesetzt hatten.
Eve nickte. “Danke.” Sie umklammerte Jacks Hand.
“Und sie ist klug. Sie benimmt sich gut und macht niemals Ärger. Es wäre leicht, sie zu übersehen, weil sie sich nicht in den Vordergrund drängt, aber ich will sie nicht übersehen, denn sie hat was Besseres verdient.”
“Worauf wollen Sie hinaus?”, fragte Jack.
“Dass sie sich nicht so gut in die Gemeinschaft einfügt. Die kleinen Jungs behandeln sie wie eine Prinzessin. Die sind ganz verrückt nach ihr. Ungefähr fünf betrachten sich als ihr Freund.” Mrs. Rice kicherte. “Selbst in dem Alter ist für Jungs schon das Aussehen wichtig. Aber unter den Mädchen hat sie noch keine Freundin gefunden, weil sie so ausgesprochen schüchtern ist. Sie hat vor so vielen Dingen Angst, zum Beispiel vor dem Klettern. Wenn eines der Mädchen sie ermutigt, mit ihr zusammen zu klettern, bleibt Cory auf der Erde und schüttelt nur den Kopf. Die anderen haben es inzwischen aufgegeben.”
Eve leckte sich angespannt über ihre Lippen. “Sie hat momentan wirklich viel Angst, aber das wird sich schon geben.”
“Womöglich. Aber ich wollte Ihnen einfach meinen Eindruck schildern, weil ein Kind sich zu Hause oft ganz anders benimmt.”
“Was können wir tun?”, fragte Jack.
“Sie sollten ihr Selbstvertrauen stärken. Geben sie ihr kleine Aufgaben. Sie wird garantiert sehr gut lesen lernen. Sie haben ihr da offenbar schon eine Menge beigebracht.”
“Ja.” Eve war erleichtert, wenigstens etwas richtig gemacht zu haben. “Ich habe ihr von Anfang an vorgelesen.”
“Das merkt man. Deswegen lobe ich sie dafür auch immer besonders. Ich habe sie damit betraut, die Bücher an die anderen Kinder herauszugeben.”
Eve lächelte bei der Vorstellung. “Ich glaube, das habe ich nicht oft genug getan”, sagte sie zu Jack. “Ihr Verantwortung übertragen, meine ich.”
Er nickte. “Wir könnten sie entscheiden lassen, was wir samstags unternehmen. Wir machen ihr ein paar Vorschläge und sie darf auswählen.”
“Das ist eine gute Idee”, stimmte Mrs. Rice zu.
“Grundgütiger!”, rief Jack, als sie nach Hause liefen. “Das ist die größte Frau, die ich je gesehen habe. Ich habe mich neben ihr wie eine Krabbe gefühlt.”
“Du weißt doch, was für eine Angst Cory anfangs vor ihr hatte, aber jetzt scheint sie sie zu mögen.”
“Aber eigentlich hat sie nicht Unrecht. Du würdest Cory am
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