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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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…«
    »Die Partitur der Melodie vom Ursprung.«
    »Oh mein Gott.« Zärtlich fuhr Charpentier mit dem Finger über die Notenlinien. Er schloss die Augen und bewegte lautlos die Lippen, so als läse er die Melodie mit der Fingerkuppe auf dem Papier. In seinen Händen hielt er die Melodie der Seele … Doch plötzlich kehrte er aus seiner Träumerei in die Wirklichkeit zurück. »Weiß sonst noch jemand, dass du zurückgekehrt bist?«, drängte er Matthieu unvermittelt. »Wir müssen so bald wie möglich mit Minister Louvois sprechen, damit er ein Treffen mit dem König einberuft.«
    »Und meine Eltern? Sind sie zu Hause?«
    »Natürlich«, lenkte Charpentier ein. »Ich suche eben meine Sachen zusammen, und dann machen wir uns auf den Weg zu ihnen.«
    Er gab seinem Neffen die Partitur zurück, ordnete hastig die verschmierten Blätter, die auf der Tastatur lagen, und begann, die Kohlestifte in ein Etui zu schieben, hielt aber plötzlich inne.
    »Was habt Ihr?«
    »Es wäre vielleicht besser, wenn sie hierherkommen würden. Du solltest nicht einfach so durch Paris spazieren, solange die Angelegenheit nicht ausgestanden ist. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir es anstellen, um …«
    »Wir gehen nach Hause«, unterbrach ihn Matthieu entschlossen.
    Charpentier entdeckte ein Glitzern in seinen Augen.
    »Woran denkst du?«
    »Das erzähle ich Euch unterwegs. Aber jetzt müssen wir uns beeilen.«
    Der Schreiber und seine Frau glaubten zu träumen, als Matthieu zur Tür hereinspazierte. Sie fassten ihn mit herzerweichender Rührung am Arm und drückten ihn so fest, dass sie ihn zwischen sich fast zerquetscht hätten. Mit einem Mal kamen ihnen die unendlichen Monate der Trennung nur noch wie Minuten vor. Matthieu war wieder hier, und er hatte noch das ganze Leben vor sich, um es für sich selbst und für Jean-Claude zu leben.
    »Was schert es uns jetzt, ob uns etwas zustoßen könnte?«, sagten sie.
    Matthieu stellte ihnen Luna vor. Seine Mutter begriff sofort, wie glücklich ihr Sohn an der Seite dieser seltsamen Frau war. Der Schreiber hingegen war konsterniert. Mein Gott, eine Eingeborene! Gleichzeitig verfehlte ihre ungewöhnliche Schönheit aber auch auf ihn ihre Wirkung nicht: die perfekten Züge, die glatte Haut und diese Augen, in denen Sterne blitzten. Die Mutter sinnierte voller Stolz, dass ihre Iris wohl ein unbekanntes Universum in sich trügen, welches Matthieu würde durchstreifen können. Sie zeigte sich Luna gegenüber von Anfang an so aufmerksam wie möglich, diese fühlte sich in dem fremden Haus dennoch verloren. In einem Moment überkam sie wissenschaftliche Neugier, und sie griff ohne Scham nach einem Alltagsgegenstand, um ihn von allen Seiten zu untersuchen, dann wiederum zwang sie plötzliche Panik, aus dem Haus zu laufen und nach Luft zu schnappen.
    »Wenn sie gebadet und sich etwas Sauberes angezogen hat, wird es ihr schon besser gehen«, erklärte die Mutter und nahm die Fremde mit sich, damit die Männer unter sich waren und reden konnten.
    Kurze Zeit später hockte Luna im Badekübel und betrachtete ihre verschrumpelten Hände. Im Süden Madagaskars, wo sie geboren wurde, gab es keine der Schwefelquellen, die einige von den älteren Hüterinnen der Stimme noch gekannt hatten, und das heiße Wasser entfachte in ihr unbekannte, aufregende Empfindungen. Sie stand auf und ließ den durchsichtigen Film langsam an ihrem Körper hinabfließen. Seit Matthieu in ihr Leben getreten war, betrachtete sie sich selbst mit anderen Augen. Sie überraschte sich dabei, sich dort zu liebkosen, wo er sie berührte, mit den Fingerspitzen ihre eigenen Kurven entlangzufahren, als streichele sie über die weiße Muschel. Nackt trat sie an das Fenster zum Innenhof. Sie legte die Hände auf das Glas und konnte sehen, wie der junge Musiker auf der anderen Seite des Gebäudes ausdrucksstark gestikulierte, während sein Vater und Onkel ohne Unterlass nickten.
    »Wir müssen umgehend handeln«, drängte Matthieu die beiden.
    »Was du vorschlägst, ist äußerst riskant«, erwiderte der Schreiber.
    »Vater, darf ich dich daran erinnern, dass es bis zur Tagundnachtgleiche nur noch zwei Tage sind?«
    »Ich habe oft mit Newton darüber diskutiert, warum die Mörder deines Bruders die Partitur unbedingt vor diesem Tag haben wollten«, erklärte Charpentier. »Das will er zwar nicht zugeben, aber es hat vermutlich mit einem Aspekt des Experiments zu tun, der sich ihm noch nicht erschlossen hat. Er versteht Alchemie als

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