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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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meines Bruders.«
    Bestürzung erfasste die Anwesenden.
    »Eine Mörderin? Virginie du Rouge?«
    Ihr Ehemann, der verrückte Gilbert, drängte sich rücksichtslos durch die Menge, um dem Musiker die Stirn zu bieten.
    »Wie könnt Ihr es wagen?«
    »Beruhigt Euch, Gilbert«, rief der Souverän von seinem Thron aus und unterstrich seine Bitte mit einer autoritären Geste. »Ich werde mich darum kümmern.«
    »Wahrscheinlich hast du dein Bett auch mit Jean-Claude geteilt!«, fuhr Matthieu unbeirrt fort. »Deshalb wusstest du von seiner Arbeit an der Partitur …«
    »Welche Niedertracht!«
    Ihr Ehemann griff nach dem Dolch, den er unter seiner Tunika trug.
    »Jetzt ist es genug!«, rief der König erzürnt.
    »Wenn er es dir erzählt hat, dann muss er wohl gedacht haben, dass er dich liebt«, endete Matthieu. »Und du hast es ihm mit dem Tode gedankt.«
    Der verrückte Gilbert holte zum tödlichen Stoß aus, es gelang Matthieu jedoch auszuweichen, bevor die Klinge seinen Hals durchstieß. Rasch schritt die Schweizergarde ein. Zwei der Soldaten zogen Matthieu von der Sängerin fort, während zwei weitere den Offizier entwaffneten, der keinen Widerstand leistete. Es war ihm lieber, wenn es bei diesem Vorfall blieb, denn wenn er die neuen Spiegel des Königs mit Blut befleckt hätte, wäre ihm zwar höchstwahrscheinlich ein Freispruch wegen Provokation sicher gewesen, die Nachricht hätte sich aber in ganz Europa verbreitet.
    »Schluss damit!«, rief Minister Louvois. Er atmete tief durch und wandte sich mit dem Geschick großer Strategen, die ihre Kämpfe eher auf dem Parkett als auf dem Schlachtfeld austragen, an die Sopranistin. »Madame du Rouge, vergebt diesem wahnsinnigen Bewunderer. Seht solche Vorfälle als den Preis an, den Ihr eben für Eure Schönheit zahlen müsst!« Die Edelleute brachen in Gelächter aus. Louvois nutzte die Tatsache, dass nach seiner gelungenen Bemerkung nun ihm die ganze Aufmerksamkeit galt, und rief: »Musik!«
    Die restlichen Zuständigen reagierten umgehend: Lully griff nach seinem Taktstock, und die Klänge eines türkischen Marsches erfüllten den Saal, während der Koch rasch eine Auswahl an Kuchen und Pralinen hinausschickte, um die Gäste abzulenken.
    Louvois zerrte Matthieu in den angrenzenden Raum und schickte einige Tänzer hinaus, die sich dort gerade umzogen. Bedächtig erhob sich der König von seinem Thron und stieg die Stufen hinunter, um ihnen zu folgen, obwohl er dabei tat, als sei alles in bester Ordnung. Er schritt zwischen den Adligen hindurch, die gierig Schokolade in sich hineinstopften, und schaute auf seinem Weg zum Nebenraum kurz bei der am Boden zerstörten Virginie du Rouge vorbei, die in einer Ecke des Raumes von ihrem Gatten getröstet wurde. König Louis richtete einige Worte an die beiden, die der verrückte Gilbert lediglich mit einer Verneigung quittierte, da er mit dieser Angelegenheit so schnell wie möglich abschließen wollte.
    Dann verschwand Ludwig XIV . endlich im Vorraum und schloss die Tür hinter sich, damit sie niemand belauschen konnte.
    »Ich bin deiner Eifersuchtsdramen eines gekränkten Liebhabers so überdrüssig!«, brüllte er Matthieu ins Gesicht. Dieser blieb ungerührt.
    »Wenn Ihr es mich erklären lassen würdet …«
    »Wie konntest du es bloß wagen, mich derart bloßzustellen!«, rief der Souverän. Er versuchte, seine Wut hinter einem väterlichen Tonfall zu verbergen.
    »Virginie hat die Melodie gesungen!«
    »Am Abend in der Orangerie hattest du eine ähnliche Anschuldigung vorgebracht«, warf Louvois ein, »als du behauptetest, Lully hätte dein Opernduett gestohlen.«
    »Was bringt es mir denn, Euch zu belügen? Das würde ja bedeuten, dass Jean-Claudes wahre Mörder ungeschoren davonkommen.«
    »Und warum sollte ich dir Glauben schenken? Wer kann beweisen, dass du die Wahrheit sprichst? Glaubst du etwa, dass Madame du Rouge die verfluchte Partitur bei sich trägt?«
    »Anstatt mich zu befragen, könntet Ihr sie einfach durchsuchen lassen!«
    »Hüte deine Zunge!«
    »Schweig!«, befahl der König kurz angebunden. Er wandte sich wieder an Matthieu: »Bist du dir sicher?«
    »Ich habe nicht den geringsten Zweifel.«
    »In einem hat Louvois recht: Wenn Virginie die Partitur wirklich gestohlen haben sollte, dann wird sie sie so versteckt haben, dass niemand sie findet. Hast du noch andere Beweise gegen sie? Und hattest du sie bereits vor ihrem Auftritt in Verdacht, in die Angelegenheit verwickelt zu sein?«
    »Auf die Idee kam ich

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