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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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anderes.«
    »Quäl mich doch nicht, ich flehe dich an …«
    »Ich war im Haus des Geigenbauers.«
    Bei diesen Worten konnte Matthieu eine schwache, kaum wahrnehmbare Reaktion seines Onkels wahrnehmen.
    »Ich kann daran nichts Seltsames erkennen, abgesehen davon, dass du dem Mann einen Besuch abstattest, während auf der Freitreppe von Saint-Louis der Leichnam deines Bruders liegt«, versetzte Charpentier boshaft. »Ihr wusstet …?«, gab Matthieu seinem Onkel Gelegenheit, den Satz selbst zu vervollständigen, dieser entgegnete jedoch nichts. Der junge Mann stand auf, um sich dann vor dem Komponisten hinzuknien. »Wusstet Ihr, dass Jean-Claude Hunderte von Partituren mit einer fast identischen Melodie vollgeschrieben hat?« Charpentier spielte mit der Flasche herum, so als ginge ihn das alles nichts an. »Ich weiß gar nicht, wie ich es erklären soll, es wirkte völlig besessen, dieselbe Melodie, immer und immer wieder bis zum Überdruss wiederholt und ohne erkennbare Gesetzmäßigkeit variiert, und zwar auf so subtile Art und Weise, dass es das Endresultat kaum verändert.«
    »Lass es gut sein, ich bitte dich.«
    »In Wirklichkeit«, fuhr Matthieu in noch eindringlicherem Tonfall fort, »konnte man diese Melodie nicht einmal singen.«
    Charpentier schloss die Augen.
    »Was willst du damit bloß erreichen?«, fragte er, ohne die Lider aufzuschlagen.
    »Wie bitte?«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Sie hätten beinahe auch mich umgebracht. Ich versuche doch nur …«
    »Dich?«, wunderte sich der Komponist und erwachte zum ersten Mal aus seiner Lethargie. »Was sagst du da?«
    »Ich hatte gerade die Partituren entdeckt, als jemand auf der Bildfläche erschien, der auch auf der Suche danach war.«
    Charpentier schüttelte den Kopf und schlug sich die zitternden Hände vors Gesicht. Sein Brustkorb erbebte, so als versuche er, ein Schluchzen zu unterdrücken.
    »Jean-Claude war nicht wie du.«
    »Was wollt Ihr denn jetzt damit sagen?«
    Der Komponist verzog das Gesicht zu etwas, das einem Lächeln ähnelte.
    »Er sagte immer, dass jede Minute, die er nicht auf der Geige spielte, ihn dem Tod näher brachte. Die Violine war sein Leben, und von dem Moment an, an dem er morgens erwachte, dachte er an nichts anderes als daran, den Steg mit den Fingern zu umfassen, sich das Instrument an die Wange zu legen, die erste Saite mit dem Bogen zu berühren und in Ekstase zu verfallen.«
    »Wir haben doch zusammen gelernt«, stammelte Matthieu.
    Er wusste nicht, warum sein Onkel ihm nun diese Dinge vorhielt.
    »In deinem Fall ist die Musik nicht der Zweck an sich. Wir wissen beide, dass du eine Gabe hast, du nutzt dieses Talent jedoch, um andere Ziele zu verfolgen.«
    »Aber …«
    »Das ist eben der Weg, den du gewählt hast. Lass uns nicht mehr davon sprechen.«
    Matthieu konnte nicht fassen, was er da hörte.
    »Wie könnt Ihr nur von diesen Dingen anfangen nach allem, was passiert ist?«
    »Geh jetzt.«
    »Onkel, ich …«
    »Ich will allein sein.«
    Empört stand Matthieu auf und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er konnte Charpentiers Anwesenheit nicht länger ertragen. Warum sollte man an so einen Menschen noch seine Zeit verschwenden? Nicht einmal in dieser Situation war er dazu in der Lage, sich vom Bild des unerbittlichen Lehrmeisters, des arroganten Komponisten zu lösen, der auf seine eigene Genialität fixiert war und über seine Kreationen hinaus nichts anderes sehen konnte.
    Charpentier schaute ihm hinterher, als er sich durch den Gang entfernte. Er hörte, wie der junge Mann sich voranschleppte, und es zerriss ihm schier das Herz. Wie konnte er seinen geliebten Neffen bloß fortschicken, ohne ihm zu enthüllen, dass er sich so verhalten musste, um ihn zu schützen?
    Er wartete ab, bis Matthieu das Gebäude verlassen hatte. Dann wandte er sich zu einer halbgeschlossenen Tür um, die neben der Feuerstelle zu einem kleinen Vorratsraum führte.
    »Ihr könnt jetzt herauskommen«, rief er. »Er ist fort.«
    Augenblicklich regte sich dort eine schattenhafte Gestalt. Als sie sich dem Licht der Öllampe zu den Füßen des Komponisten näherte, war sie immer deutlicher auszumachen. Es handelte sich um einen vornehm wirkenden Mann mittleren Alters. Seine Kleidung wirkte schlicht, ihr Material – Samt und Seide – ließ jedoch erkennen, dass er adliger Abstammung sein musste.
    »Ihr habt das Richtige getan«, versicherte er mit starkem englischem Akzent.
    »Wie könnt Ihr das nur sagen?«, klagte

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