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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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Charpentier mit hängendem Kopf. »Er ist doch mein Neffe, mein geliebtes Kind. Gerade hat er seinen Bruder verloren, und ich habe mich aufgeführt, als sei er mir ganz egal. Das hat Matthieu nicht verdient …«
    »Er darf unter keinen Umständen etwas von unserem Projekt erfahren! Haben wir uns da verstanden? Ich habe bereits einmal einen Fehler gemacht, als ich zuließ, dass Jean-Claude eingeweiht wurde …«
    »Ich werde mir nie verzeihen, ihn da mit hineingezogen zu haben.« Wieder schlug sich Charpentier die Hände vors Gesicht. Er hockte noch immer auf dem harten Küchenfußboden. »Mein Gott, ich hatte geglaubt, es sei gut für ihn!«
    »Es war nicht Eure Schuld«, versicherte sein Gegenüber ein wenig herablassend. »Nur Gott weiß, wo die undichte Stelle ist. Und genau deshalb musstet Ihr auch Matthieu weiterhin aus der Angelegenheit heraushalten.«
    »Hoffen wir nur, dass Dr. Evans durchhält.«
    »Armer Dr. Evans … In seinem Fall war ich es aber, der ihn so weit getrieben hat. Ich weiß wirklich nicht, wie es ihm gelingen konnte, sich mit aufgeschlitztem Bauch bis auf die Straße hinauszuschleppen, nachdem die Angreifer ihn längst für tot hielten. Ihr habt Matthieu gar nicht verraten, dass er noch lebt.«
    »Und das sollte er besser auch weiterhin nicht erfahren. Vielleicht hört er dann endlich auf, seine Nase in diese Sache zu stecken.«
    »Sehr gut.«
    Der Engländer lehnte sich gegen die Wand, und sein Blick verlor sich einen Moment lang in der verglimmenden Asche des Kamins.
    »Habt Ihr wirklich keine Ahnung, wer hinter alledem steckt?«, fragte Charpentier.
    »Jeder Alchemist, der von der Existenz der Melodie vom Ursprung weiß, würde töten, um ihre Niederschrift in die Finger zu bekommen. Eines begreife ich jedoch nicht: Wie haben sie bloß herausgefunden, dass Ihr mit Jean-Claudes Hilfe versucht habt, die Melodie zu transkribieren? Glaubt Ihr etwa, der Seemann hat nicht dichtgehalten?«
    »Das denke ich eigentlich nicht.«
    »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er etwas damit zu tun hat. Ich zahle ihm weitaus mehr, als er mit der Seefahrt in seinem ganzen Leben verdienen würde.«
    »Sollten wir ihm nicht lieber einen Besuch abstatten?«
    »Schickt ihm eine Nachricht und schildert ihm die Geschehnisse, damit er sich versteckt hält, geht aber auf keinen Fall zu ihm. Ich will nicht, dass sie Euch bis dorthin folgen. Wer diese Männer angeheuert hat, wird bald bemerken, dass das Experiment mit keinem der gestohlenen Notenblätter funktioniert, und auf der Suche nach neuen Partituren zurückkehren. Verflucht!«, rief er auf einmal aus. »Es ist so erbärmlich, bei solch einem Projekt von einem schmuddeligen Matrosen abhängig zu sein!«
    »Was werdet Ihr tun?«
    »Ich werde umgehend nach England zurückkehren. Es wäre eine Katastrophe, wenn mich jemand mit dieser Angelegenheit in Verbindung bringt.«
    »Niemand weiß, dass Ihr hier seid, und ich bezweifle sehr, dass es in Frankreich auch nur einen Menschen gibt, der Euch erkennen würde.«
    »Man kann nie wissen.«
    »Also werdet Ihr vor Eurer Abreise nicht bei Dr. Evans im Krankenhaus vorbeischauen?«
    »Dieses Risiko kann ich nicht eingehen. Sie haben ihn ins Hôtel-Dieu gegenüber von Notre-Dame gebracht, und Ihr wisst doch, wie belebt die Straßen dort sind.« Auf einmal ließ er die vor der Brust verschränkten Hände sinken und nahm eine übertrieben dramatische Pose ein. »Nicht auszudenken, was die Leute über mich sagen würden: Der große Isaac Newton ist doch tatsächlich in eine Mordserie im Zusammenhang mit alchemistischen Fantasien verwickelt …«
    Isaac Newton. Dieser Name beeindruckte den Komponisten noch immer jedes Mal, wenn er ihn hörte. Seit Dr. Evans ihm den Mann vorgestellt hatte, hatten sie oft lange Gespräche geführt, und dennoch faszinierte es Charpentier weiterhin, mit diesem berühmten Wissenschaftler gemeinsam an einem Alchemieprojekt dieser Ausmaße zu arbeiten. Seine Zeitgenossen sahen in ihm eines der größten Genies der Menschheit, wenn gleichzeitig auch einen wahren Glückspilz, denn man entdeckt nur einmal das System, das die Welt bestimmt. Aber hinter dem Mann der Wissenschaften, der mit seiner Theorie über die Schwerkraft Mathematik, Optik und Mechanik revolutioniert hatte, verbarg sich der letzte große Magier. Isaac Newton war ein krankhafter Alchemist und ein häretischer Theologe, und die Besessenheit von diesen Dingen ließ ihn schon seit vielen Jahren in seinem Labor nach mystischen

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