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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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das neue Libretto von Amadis de Gaule fertig war, und er wollte die Korrekturen so schnell wie möglich durchgehen.
    Als er den Raum betrat und den jungen Geiger zusammengesunken auf seinem Tisch vorfand, war er drauf und dran, ihn mit Fußtritten zu traktieren, dies erschien ihm dann aber doch seiner unwürdig. Immerhin kannte er effektivere Methoden, um anderen wehzutun. Er baute sich vor Matthieu auf und stieß ihm mit seinem Stock in die Rippen. Der junge Musiker öffnete die Augen. Er begriff zunächst gar nicht, was hier geschah. Dann jedoch sah er auf und erkannte die bunte und glänzende Kleidung aus Seide und Spitzen und die braune Lockenpracht der langen Perücke. Er schnellte hoch wie eine Sprungfeder und begann zu stammeln.
    »Es tut mir leid, Maestro, ich …«
    »Wer bist du?«
    »Ich bin ein Schüler von Monsieur Le Pautre, dem Kammermusikmeister.«
    »Ich habe dich hier noch nie gesehen.«
    »Ich heiße … Matthieu Gilbert.«
    Er benutzte schon lange lieber den Nachnamen seiner leiblichen Mutter. Mehr war ihm von der armen Dienstmagd Marie nicht geblieben. So wollte er sie ehren und gleichzeitig auch vermeiden, in musikalischen Kreisen mit Charpentier in Verbindung gebracht zu werden. Maestro Lully konnte nicht ahnen, dass er einen Neffen seines Erzfeindes vor sich hatte.
    »Erklär mir, was du hier treibst«, unterbrach ihn Lully. »Und du bist besser überzeugend, denn sonst …«
    Matthieu handelte umgehend. Es war in diesem Moment vielleicht nicht das Angebrachteste, aber das Einzige, was ihn aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Er stand auf und ordnete rasch die neue Partitur. Dann sah er Maestro Lully an und hielt ihm die Blätter hin.
    »Was ist das?«, fragte dieser abfällig.
    »Ein Duett, Maestro. Es käme gleich nach der Ouvertüre.«
    Er streckte sie Lully wieder entgegen, der sich jedoch nicht rührte.
    »Ein Duett?«
    »Ich habe einige Verse des neuen Librettos verwendet«, erklärte der junge Mann hastig. Er deutete auf den Text. »In diesem Abschnitt spürt Urganda, dass der Moment gekommen ist, um den Helden der ewigen Nacht zu entreißen, die ihn umfangen hat, und sie singt mit ihrem Gemahl Alquif im Duett. In meinem Entwurf vermischen sich die Streicher mit dem Donnergrollen, bis langsam die Sopran- und die Bassstimme hinzukommen. Eine ideale Einleitung für die Geisterchöre, die daraufhin die Verse wiederholen!« Er steigerte sich richtiggehend in seine Erläuterung hinein. »Man wird von Anfang an wissen, dass Amadis nur sich selbst finden will …«
    Während Matthieu sprach, verzog Lully die Lippen, und die furchtbare Grimasse griff nach und nach auf sein Gesicht über.
    »Wie kannst du es wagen, hier einzudringen und mit deinen Hafenarbeiterhänden mein Libretto zu besudeln?«, brach der Zorn aus dem Maestro heraus. Wütend riss er dem jungen Mann die Partitur aus der Hand.
    Er schleuderte sie rücksichtslos auf den Tisch und stieß Matthieu beiseite. Während er ihm mit seinem Stock drohte, als sei es ein Säbel, konnte er jedoch nicht umhin, einen flüchtigen Blick auf die verschmierten Notenblätter zu werfen.
    »Es ist ein gelungenes Stück …«, nutzte Matthieu den Moment, um seinen Standpunkt zu bekräftigen.
    Ganz gegen seinen Willen war der Maestro von der Melodie der Kohlestriche wie gefangen. Den Stock noch immer hoch erhoben, überflog er rasch die erste Seite. Er konnte nicht verhindern, dass sich seine Lippen leicht bewegten, als er die Musik auf dem Blatt in seinem Kopf zum Erklingen brachte. Ein paarmal wandte er sich mit fragendem Gesichtsausdruck in Matthieus Richtung, las dann aber bis zum Ende der Komposition weiter, nachdem er etwas Unverständliches vor sich hin gemurmelt hatte.
    »Ich nehme das an mich«, verkündete er auf einmal.
    »Also gefällt Euch das Stück, wirklich?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, schnaubte Lully wütend. »Und wie kannst du es überhaupt wagen, mich so anzusprechen?«
    »Aber …«
    »Hinaus! Verschwinde, aber augenblicklich!«
    Matthieu gehorchte wortlos. Mit hängendem Kopf zog er davon und machte sich auf den Weg nach Hause, in das Heim, das er sich mit Jean-Claude geteilt hatte. Er ließ sich bäuchlings auf sein Bett sinken. Gesellschaft leisteten ihm nun nur noch die vier gekalkten Lehmwände und eine weitere, leere Schlafstatt.
    Sein Bruder war ihm so fern.
    Als hätte es ihn nie gegeben.
    Er fasste sich an die Schläfen und übte mit den Fingern Druck aus. Der Schmerz war unerträglich. Anschließend riss er

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