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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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Oberintendanten von Bauwesen, Künsten und Manufakturen ernannt worden war. Dieser Titel umfasste auch die Verantwortung für Bauarbeiten im Palast von Versailles.
    »Wie geht es Seiner Majestät? Habt Ihr mit ihm gesprochen?«
    »Er lässt keine Argumente gelten«, antwortete Minister Louvois, »und hat sogar mich aus seinen Gemächern geworfen.«
    »Irgendetwas müssen wir tun …«
    »Was kann man schon gegen die Elemente ausrichten? Der König hält die Angelegenheit für eine Tragödie, er fürchtet, auf ihm laste ein Fluch. Er hat mir sogar versichert, die heutigen Wolken würden als Symbol dafür stehen, dass auch sein eigenes Licht bald erlöschen wird.«
    So konnte es nicht weitergehen, beschloss Lully. Er entschuldigte sich beim Minister, schob rücksichtslos den Lakaien vor dem Eingang zur Seite, klopfte mit seinem Stock leise an und betrat das Schlafzimmer des Königs, ohne dessen Erlaubnis abzuwarten. Der Herrscher wirkte auf ihn matter als je zuvor wie ein erloschener Stern inmitten jenes goldgeschmückten Raumes, der leuchtete wie das Zentrum der Sonne. Er saß auf einem Stuhl am Fenster, das Nachthemd verrutscht und schweißnass, und betrachtete aus geröteten Augen die Wolken, jede ihrer Bewegungen, auch wenn es sich nur um Millimeter handelte.
    »Majestät …«
    Der Herrscher erkannte die Stimme seines Freundes und antwortete, ohne sich umzudrehen.
    »Was soll ich jetzt bloß den Botschaftern aus Siam sagen? Wie kann ich das bei den anderen Gästen aus aller Herren Länder wiedergutmachen, denen ich doch eine unvergessliche Nacht versprochen hatte?«
    »Wir können nur warten und darauf hoffen, dass das Unwetter nicht ausbrechen wird. Und außerdem, Majestät, braucht Ihr meine Musik doch nicht, um diese Abgesandten zu beeindrucken. Sie regieren nur über kleine Reiche, selbst wenn sie Imperiumsallüren zeigen.«
    Der König drehte den Kopf wie ein Raubvogel, saß aber weiter mit den Händen auf den Knien da.
    »Unglaublich, wie Ihr Schmeichelei mit Herablassung verwechselt. Behandelt mich nicht wie das Hündchen einer Hofdame. Und versucht auch nicht, Euch angesichts dieser Tragödie so einfach aus der Affäre zu ziehen! Wir bereiten die Uraufführung dieser Oper schon seit Monaten vor, und Ihr tragt dafür die Verantwortung.«
    »Verantwortung für …«
    »Begreift Ihr es denn nicht?«, schrie Ludwig XIV ., sprang auf einmal auf und fegte mit einer Handbewegung alles zu Boden, was auf einem nahen Tisch stand. »Nur wenige Stunden vor der Aufführung haben mir die Himmelskörper meine große Oper entrissen, meine Ehre, meinen Ruhm!«
    Lully war klar, dass er seinen Freund jetzt lieber allein lassen sollte.
    Dessen Fassungslosigkeit und Wut verwandelten sich langsam in Verzweiflung. König Louis wollte nicht, dass ihn jemand weinen sah. Er warf sich einen Umhang über das Nachthemd und verschwand durch eine Geheimtür, ohne sich auch nur die Perücke aufzusetzen. Draußen stand für alle Eventualitäten immer eine Kutsche bereit. Darin durchquerte der Herrscher den Garten, fuhr am Kanal entlang und schloss sich dann im ersten Trianon ein, dem chinesisch anmutenden Porzellanschlösschen, das sich in einer Ecke des Parks befand. Dort konnte er sich wenigstens allein seinem Schmerz hingeben. Er hatte es während seiner Affäre mit Marquise de Montespan als Liebesnest errichten lassen, und es war für ihn immer noch ein Rückzugsort, zu dem die Höflinge keinen Zutritt hatten.
    Der Herrscher vergoss bittere Tränen, denn er ahnte ja nicht, dass sich sein geliebter Lully, der sich zwar allen anderen gegenüber als ein solcher Tyrann gab, der Krone aber treu ergeben war, inzwischen den Kopf zerbrach, um irgendeine Möglichkeit zu finden, die Aufführung doch noch stattfinden zu lassen. Und was er ganz sicher nicht wissen konnte, war, dass die dunklen Wolken, die sich über seinem Palast zusammenbrauten, entscheidend das Schicksal Matthieus beeinflussen sollten, das Los eines jungen Musikers, der von Kindesbeinen an davon geträumt hatte, für seine königlichen Ohren Violine zu spielen.
    Und es ging ja nicht nur um Matthieu.
    Jene Wolken würden das Geschick ganz Frankreichs besiegeln.

12
    M atthieu versuchte sich davon zu überzeugen, dass sein Kammermusiklehrer Monsieur Le Pautre ihm bald eine frei werdende Stelle in einem der Hoforchester anbieten würde. Nach dem Zwischenfall am Morgen nach dem Tod seines Bruders hatte er befürchtet, man würde ihn aus der Schule werfen, aber niemand hatte die

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