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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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Bett, auch nachdem Louise geboren war. Jetzt sorgte sie sich nicht mehr im Auftrag ihrer Herrin um mein Leben, sondern hatte einfach Mitleid mit mir. Später sagte sie, sie hätte es sich nie verziehen, wenn mir etwas passiert wäre.
    Ich bekam Angst. Jetzt hatte ich begriffen, wie weit Madame M. gehen konnte. Wenn sie imstande war, mich sterben zu lassen, war sie auch imstande, mich zu töten, erst recht jetzt, nachdem Louise geboren war. Auch heute
denke ich noch, dass sie es getan hätte, wenn nicht Sophie bei uns gewesen wäre. Sophie schimpfte mit mir, als ich diesen Verdacht äußerte. Ich sei verrückt, das zu glauben, so weit würde ihre Herrin niemals gehen. Aber ich konnte in ihren Augen lesen, dass sie auch nicht mehr ganz sicher war. Während sie so tat, als würde sie die Kissen unter meinem Kopf aufschütteln, sagte sie sehr leise, sie würde aufpassen, dass Madame M. nicht zu nah an mein Essen gelangt ...

    Louise ist am 16. Mai 1940 geboren.

    Ein paar Tage vor der Entbindung hatte ich meinen Eltern den Brief geschrieben, von dem ich dir vorhin erzählt habe, in dem ich ihnen alles erzählte. Aber ich wusste nicht, wie er zu ihnen kommen sollte. Nun dachte ich an Sophie. Meine Eltern mussten diesen Brief lesen, sonst würde ich keine Ruhe finden. Wenn mir etwas zustoßen sollte, mussten sie wissen, dass sie eine Enkeltochter hatten.
    Ich wollte nicht, dass Sophie den Brief Jacques mitgab, ich traute ihm nicht. Er hatte mich in L’Escalier immer so herablassend angesehen. Sophie meinte, ich hätte unrecht, schlecht von ihm zu denken, er sei ein guter Kerl. Aber wenn ich lieber wollte, dass sie den Brief in den Briefkasten steckt, würde sie es tun. Sie schwor es mir.
    Sie kam mir so aufrichtig vor. Ich dachte, ich könnte ihr vertrauen. Ich dachte, sie würde es tun, weil sie Angst hätte, Komplizin bei einem Drama zu werden. Womöglich bei einem Mord. Aber vor dem Briefkasten muss sie sich eines anderen besonnen haben. Also hat sie den Brief nicht eingesteckt.
    Sie hat es mir nie gesagt, aber so muss es gewesen sein.

    Und ich habe es ihr weiß Gott heimgezahlt. Warum musste sie mich auch anlügen?

    Ich brauchte lange, um mich von der Niederkunft zu erholen. Madame M. verließ das Zimmer keine Sekunde. Wie am Anfang waren wir wieder ständig im selben Raum, aber ich malte nicht mehr, und sie las nicht mehr. Wir schauten Louise an. Wir waren Feindinnen geworden. Wenn ich Louise stillte, spürte ich ihren eifersüchtigen Blick, aber diese Momente wenigstens konnte sie mir nicht stehlen. Ansonsten fühlte ich mich ohnmächtig und musste zusehen, wie sie ihr die Windeln wechselte. Sie in den Arm nahm. Sie wiegte. Ihr ins Ohr flüsterte. Und sie ›mein Kind‹ nannte. Sie ging mit ihr spazieren, während ich zu schwach war, um aufzustehen.
    Ich war entschlossen, mit Louise wegzugehen, nach Hause zurückzukehren. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr schuldig. Aber ich konnte Madame M. nicht sagen, dass wir uns beide geirrt hatten, dass man ein Kind nicht von seiner Mutter trennen kann. Dass es von der Natur nicht vorgesehen ist. Sie würde es nicht verstehen. Sie war schon ganz woanders. Ich musste noch so tun als ob, musste durchhalten. Gehorsam bleiben, damit sie meine Absicht bloß nicht ahnte. Bis ich wieder bei Kräften war. Früher oder später würde ich eine Möglichkeit finden, mit Louise zu fliehen.
    Aber ich habe zu lange gewartet.

    Ich konnte wieder ein paar Schritte gehen, ohne zu ermüden. Sie kam eines Morgens in mein Zimmer, wie üblich zur Stillzeit. Louise war fast einen Monat alt. Wortlos nahm sie mir die Kleine aus den Armen und ging hinaus. Ich wollte
ihr folgen, aber sie hatte schon ihre Zimmertür von innen abgeschlossen.
    Louise weinte.
    Das war nicht ihr normales Weinen! Ich klopfte. Keine Antwort. Louise schrie immer lauter. Ich bekam es mit der Angst. Ich rief Sophie, sie sollte etwas tun. Auf der Suche nach ihr kam ich ins Bad.
    Dort bot sich mir ein entsetzlicher Anblick. Mein Kater Alto schwamm tot in der Wanne. Madame M. hatte ihn umgebracht. Ich weiß nicht, wie, das Wasser war voller Blut. Ich rannte zu ihrem Zimmer zurück und flehte sie an, aufzumachen.
    Louise weinte nicht mehr. Ich hatte solche Angst, sie hätte ihr etwas angetan. Ich rannte nach unten, um Hilfe zu holen.
    Plötzlich hörte ich ihre Stimme hinter mir. ›Verschwinde! Du hast hier nichts mehr zu suchen.‹ Sie stand oben an der Treppe.
    Ich habe gefragt, was sie mit meinem Kind gemacht hat.
    Sie hat

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