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Das geheime Prinzip der Liebe

Das geheime Prinzip der Liebe

Titel: Das geheime Prinzip der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hélène Grémillon
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war noch nicht bereit, sie wiederzusehen, noch nicht stark genug, um danach in meinem Leben fortzufahren, als sei nichts geschehen.
    Sie lächelte mich an. Sie las wohl die Verwirrung und die Unzufriedenheit in meinem Gesicht. Hatte ich es verzogen? Ihr Lächeln wurde zaghafter.
    »Guten Tag, Louis.«
    »Guten Tag.«
    »Was für ein Zufall, dich hier zu treffen. Einfach so.«
    »Stimmt.«
    »Wie geht es dir?«

    »Gut.«
    Mehr brachte ich nicht heraus. Ich konnte nicht einfach so plaudern, als hätten wir uns am Vortag das letzte Mal gesehen. Sie spürte es, und um das Ganze noch schlimmer zu machen, wurden die Leute hinter ihr ungeduldig.
    Sie verabschiedete sich eilig.
    Ich war völlig durcheinander. Das war das Ende, ich spürte es, das Ende meiner um den Preis täglicher Mühe, mit dem Begräbnis meiner Erinnerungen gewonnenen Ruhe. Ich hasste sie dafür, einfach so wieder in meinem Leben aufzutauchen, ohne jede Vorwarnung. Ich musste stärker sein als diese unverhoffte Erscheinung. Durfte sie nicht erneut mein Dasein vergiften lassen. Sie war gegangen, ohne sich zu verabschieden, und hatte drei Jahre lang kein Lebenszeichen von sich gegeben. Sie hatte ihr Leben geführt, ich musste mit meinem weitermachen. Damit weitermachen, nicht an sie zu denken. Noch vor ein paar Minuten hatte ich es sehr gut gekonnt. Diese Begegnung durfte nichts ändern.
    Am Abend war ich mit meiner Freundin Joëlle verabredet.
    Nichts durfte sich ändern.
    Ich machte Schluss mit ihr.
    Ich konnte noch so oft behaupten, dass es nichts mit Annies Auftauchen zu tun habe, dass ich mir schon seit mehreren Wochen gesagt hatte, sie sei nicht die Richtige für mich. Das stimmte zwar, aber ich hätte nie Schluss gemacht.
    Und es kam, was kommen musste. Ich fing an, auf sie zu warten.
    Nicht die Richtige für mich. Nein, natürlich nicht. Annie.
    Nachdem ich mir angewöhnt hatte, mit den Augen die Warteschlange auf der Suche nach ihrem Gesicht zu überfliegen,
starrte ich nur noch auf die Briefe oder Pakete, die von Händen zu mir geschoben wurden, um die Bedingungen ihres Auftauchens wieder herzustellen. Aber wie immer tauchte Annie in dem Moment auf, wo ich es nicht erwartete.
    Eine Woche später, an jenem 4. Oktober 1943, lehnte sie neben dem Hinterausgang an der Hauswand.

    So war es also dazu gekommen. Wir waren zu ihr gegangen, wo sie mir einen Zichorienkaffee gekocht hatte, wo sie mich hatte warten lassen, während sie die Schlüssel zurückbrachte, ich hatte sie zum Stadtbad begleitet, in einem Café gewartet. Wir hatten einen wunderbaren Abend verbracht, traurig, aber wunderbar, und nun liefen wir in dieser wunderbar unbequemen Haltung, in der meine Hände – in Bewegung, ohne sich zu rühren – noch nie so glücklich gewesen waren.

    Ein Geräusch riss mich plötzlich aus meinen Gedanken, Stiefel kamen auf uns zu, rhythmisch und aggressiv, es waren deutsche Stimmen, auch Annie hatte sie gehört. Sie presste sich an mich. Ich erstarrte mitten auf der schwarzen Straße, achtete darauf, dass kein Laternenlicht uns verriet. Wir mussten nur noch warten. Annie drückte sich immer fester an mich, ich dachte, es sei Angst, aber es war ihr unkontrollierbares Asthma.
    Sie begann zu husten, entsetzlicher Lärm in der Stille.
    Gebrüll und Klicken, die Soldaten richteten ihre Taschenlampen auf uns und nahmen uns mit.
    Nach der Ausweiskontrolle sperrten sie uns in die Arrestzellen. Die anderen, die wie wir verhaftet worden waren, blieben mit den Wachen im Gemeinschaftsraum und durften
sogar Karten spielen, während sie darauf warteten, dass es fünf Uhr wurde. Weil Annie aber auf meinem Rücken gesessen hatte, als sie uns ertappten, hielten die Offiziere das für ein vorsätzliches Vergehen gegen den deutschen Befehl, eine Straftat, die über einen normalen Verstoß gegen die Ausgangssperre hinausging. Ich hatte nicht versucht, uns zu verteidigen, es war besser, nicht aufzufallen. Sie waren noch nicht auf die Idee gekommen, unter meine Schuhe zu sehen.
    Unsere Zellen lagen nebeneinander. Auf der einen Seite die Frauen, auf der anderen die Männer. Eine neue Schule und immer noch die gleichen Regeln. Wir saßen diesseits und jenseits der Mauer. Annie versicherte mir immer wieder, uns könne nichts passieren, Freunden von ihr sei es auch so gegangen, und man habe sie am Morgen laufen lassen. Annie war so zart. Ich wollte sie nicht erschrecken. Ich würde ihr nicht sagen, dass ihre Freunde Glück gehabt hatten, weil es in der Nacht, in der man sie

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