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Das Geheime Vermächtnis

Das Geheime Vermächtnis

Titel: Das Geheime Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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darum, die Fassung wiederzugewinnen.
    »Abendessen, Ma’am? Morgen meinen Sie?«
    »Morgen?«
    »Es sind fünfunddreißig Meilen bis zur Ranch, hier von Woodward aus. Das ist zwar nicht weit, aber zu weit, um heute Abend noch aufzubrechen, finde ich. Im Hotel wartet schon ein Zimmer auf Sie, und ein gutes Abendessen. Sie sehen aus, als könnten Sie eine anständige Mahlzeit vertragen, wenn ich das sagen darf.« Er maß ihre zierliche Gestalt und ihre blasse Haut mit prüfendem Blick.
    »Fünfunddreißig Meilen? Aber … wie lange brauchen wir dorthin?«
    »Wenn wir morgen früh aufbrechen, müssten wir bis übermorgen Mittag da sein … Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie gar so viele Kisten und Truhen mitbringen, das wird den Wagen langsamer machen. Aber die Pferde sind frisch, und wenn das Wetter hält, wird es eine leichte, glatte Fahrt.« Hutch sah sie freundlich an, und Caroline nahm sich zusammen und brachte ein Lächeln für ihn auf, obwohl allein die Aussicht auf eine Reise von weiteren anderthalb Tagen sie erschöpfte. Hutch trat vor und bot ihr den Arm. »So ist es besser. Kommen Sie mit, wir machen es Ihnen erst einmal bequem. Sie sehen reichlich müde aus, Mrs. Massey.«
    Das Central Hotel an der Main Street wurde von einer dicken Frau mit säuerlicher Miene geführt, die sich als Mrs. Jessop vorstellte. Sie führte Caroline in ein Zimmer, das sauber, wenn auch nicht eben groß war, während Hutch dafür sorgte, dass ihr Gepäck von dem Bahnhofskarren auf den Planwagen umgeladen wurde, mit dem sie zur Ranch fahren würden. Mrs. Jessop machte ein finsteres Gesicht, als Caroline ein heißes Bad wünschte, und Caroline nahm hastig ein paar Münzen aus ihrem Portemonnaie, um die Bitte zu versüßen.
    »Na gut. Ich klopfe an, wenn es fertig ist«, sagte die Wirtin mit strengem Blick. Der Riegel an der Tür der Badestube war schmal und wackelig, und in einem der Türbretter war ein Astloch, durch das man einen winzigen Blick auf den Flur dahinter werfen konnte. Caroline behielt dieses Loch sorgsam im Blick, während sie badete, voller Angst, den Schatten eines neugierigen Auges davor zu entdecken. Es war nur wenig Wasser in dem Zuber, aber das Bad belebte sie dennoch. Blut strömte in ihre steifen Muskeln und ihren schmerzenden Rücken, und schließlich lehnte sie den Kopf an den hölzernen Rand und atmete tief durch. Die Stube roch nach feuchten Handtüchern und billiger Seife. Das letzte Abendlicht drang warm durch die Fensterläden, und Stimmen trieben von der Straße zu ihr herauf – melodische Stimmen, die langsam und mit einem fremden Akzent sprachen. Dann ertönte eine laute Männerstimme, anscheinend direkt unter ihrem Fenster:
    »Na, du verdammter Hurensohn! Was zum Teufel machst du denn hier?« Carolines Herz machte einen Satz, als sie die obszönen Ausdrücke hörte, und sie fuhr mit lautem Platschen hoch, denn sie erwartete, jeden Augenblick weitere Flüche oder den Lärm eines Handgemenges oder gar Pistolenschüsse zu hören. Doch stattdessen vernahm sie ein sattes, wieherndes Lachen und klatschendes Schulterklopfen. Sie ließ sich zurück in das abkühlende Wasser sinken und bemühte sich, wieder zur Ruhe zu kommen.
    Nach dem Bad rieb sie sich mit einem rauen Handtuch trocken und zog zum Abendessen ein sauberes weißes Kleid an. Auf Schmuck verzichtete sie lieber, denn sie wollte die anderen Gäste nicht ausstechen. Ohne Saras Hilfe war ihre Taille etwas weniger zierlich und ihre Frisur etwas weniger ordentlich, doch sie fühlte sich beinahe wieder wie sie selbst, als sie zur Abendessenszeit hinunterging. Sie sah sich nach Derek Hutchinson um, und als sie ihn nicht finden konnte, erkundigte sie sich bei der Wirtin nach ihm.
    »Den werden Sie heute Abend nicht mehr zu sehen bekommen, würde ich wetten«, sagte die Frau mit einem kurzen, wissenden Lächeln. »Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er auf dem Weg rüber ins Dew Drop.«
    »Verzeihung, wohin bitte?«
    »Ins Dew Drop Inn, über die Miliken’s Bridge beim Lagerhaus am Bahnhof. Was auch immer er sich heute Abend genehmigt, wird er sich dort gönnen, und nicht hier!« Darüber lachte sie glucksend. »Er war ein paar Monate lang drau ßen unterwegs. Da bekommt ein Mann Hunger.« Angesichts Carolines verständnisloser Miene zeigte sich Mrs. Jessop gnädig. »Gehen Sie rein und setzen Sie sich, Mrs. Massey. Ich schicke Dora mit Ihrem Essen raus.« Also tat Caroline, wie ihr geheißen, und aß allein an der Theke, ohne jede

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