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Das Geheimnis am goldenen Fluß

Titel: Das Geheimnis am goldenen Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Canter Mark
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vorkam, als wäre die Eine, die von ihm Angebetete, das Universum selbst.
    K’un-Chien entschied, dass sie nicht die heiligen Züge des Mannes in der Legende besaß, doch sie dankte den Ahnen für Tree und Mason, und sie küsste das Leben, das die beiden zu ihr geführt hatte.
    Sie wusste, dass es so, wie sich die Ereignisse entwickelt hatten, am besten war, und dies verschaffte ihr ein gewisses Maß an Erleichterung und innerem Frieden. Tree und Mason würden niemals erfahren müssen, dass sie der Lung-Hu war. Mit ihren letzten Bemühungen würde sie etwas Gutes bewirken, denn ihr Bruder vergoss mit Sicherheit bittere Tränen über den Verlust seines geliebten Kiki.
    K’un-Chien schlug die Augen auf und beobachtete Tree und Mason, die eindringlich miteinander redeten. Sie seufzte. Sich mit jemandem so innig zu vereinen, wie sich der Geist mit dem Körper vereint; nicht allein zu sein auf der Welt. Wo immer dies geschah, war Utopia.
    Buddha lehrte, dass Begehren Leiden bedeute: Lösche alles Begehren in dir, und du wirst frei sein von Leid. Eine wahre Formel, aber trockener als das Pergament, auf dem sie geschrieben stand.
    K’un-Chien kannte eine süßere Wahrheit, die Wahrheit der Liebesbegierde. Sie zirkulierte überall auf der Welt, in den winzigsten Gefäßen der Blätter, in den goldenen Adern der Berge. Sie durchströmte die Welt und machte sie lebendig. K’un-Chien hatte diese Energie schon als kleines Kind gekannt, bevor sie über Sex und Geschlechter Bescheid wusste. Liebesbegierde schloss Mann und Frau ein, doch sie war so viel mehr als bloß menschlich. Liebesbegierde war die Natur selbst, die Lebensenergie des Universums. Das Leben war schamlos in seinem erotischen Spiel. Die lebendige Welt vollbrachte am Himmel und auf der Erde Akte der Liebe, vor deren Ausführung sich die Menschen fürchteten, weil sie Angst hatten, dabei zu zerreißen oder sich selbst zu verlieren; weil sie Angst hatten, sich völlig grenzenlos zu fühlen.
    Sturmwolken hängen tief am Himmel und bauen elektrische Spannung auf, bis das Tal beginnt, den Himmel zu wollen, und der Himmel danach giert, sich zu entladen. Die Wolken werden schwerer und dunkler, türmen sich auf über den durstigen Feldern. Dann wird die Begierde so stark, dass nichts Erde und Himmel auseinander halten kann. Begierde wogt in den Himmel hoch, und der Himmel zerreißt und küsst den Boden mit Feuer. Der Regen löst sich aus den Wolken und findet seine Heimat in Blättern und Gräsern und Gärten. Und die kleinen Mädchen in Jou P’u T’uan tanzen nackt in den Straßen, springen in die Pfützen, während ihre Mütter unter den triefenden Dachrinnen stehen und lachen.
    Schon immer hatte K’un-Chien in ihrem Körper und Geist den kosmischen Tanz der Polarität gespürt, ihn in allem wahrgenommen, das sie umgab. Doch erst als sie Tree begegnet war, hatte es ein Tal gegeben, in das sich ihre Wolken entladen konnten; erst als Mason aufgetaucht war, hatte es einen Berg gegeben, der sie ausfüllen konnte.
    Buddha hatte Recht: Begehren ist Schmerz. Liebe ist eine Wunde. Doch nun lächelte K’un-Chien und genoss den Wein der Trauer zusammen mit der göttlichen Speise der Freude. Armer Buddha, er hatte keine Zunge besessen, um von all dem zu kosten.
    K’un-Chien blickte auf, als sie die näher kommenden Schritte hörte. Mason und Tree setzten sich links und rechts neben sie und küssten sie auf die Wangen.
    »Meine liebe Frau«, sagte Mason sanft, »wir müssen mit dir sprechen.«
    »Mason und ich haben dir etwas Wichtiges mitzuteilen«, sagte Tree.
    K’un-Chien sah die Liebe, die in Trees und Masons Augen schimmerte, und augenblicklich schmeckte ihre Welt unendlich viel süßer.

49
    Auf dem Rückweg durch die Schneise, die Mason in den Dschungel geschlagen hatte, hätte K’un-Chien vor Freude am liebsten in die Hände geklatscht und Pirouetten gedreht wie Kiki, wenn er sich über etwas freute. Sie fühlte sich so leicht, dass sie hinuntersah und sich vergewisserte, dass ihre Füße noch den Boden berührten.
    Mason und Tree hatten ihr ihre Liebe gestanden. Und sie wollten bei ihr in Jou P’u T’uan bleiben. Und was noch wichtiger war, die beiden hatten ihr Geheimnis entdeckt, und trotzdem sie nun wussten, wer sie war – was sie war –, wiesen sie sie nicht zurück.
    »Ich würde lügen, wenn ich nicht zugäbe, dass mich mein Verlangen nach dir verwirrt«, hatte Mason gesagt. »Aber dies verspreche ich dir: Meine Liebe für dich ist unerschütterlich.

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