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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marie Jakob
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die Orientierung, und sie stolperte trotz aller Vorsicht über eine Halteleine. Zwei feste Hände fingen sie auf. Sie fiel gegen einen sehnigen Körper, von dem dieser aromatische Duft ausging. Sofort machte ihr Herz einen Salto und drohte danach stillzustehen.
    »Silas!«
    »Schscht! Seid still!«
    »Wie hast du mich gefunden?«, flüsterte sie mit zitternder Stimme.
    Er zog sie in den dunklen Schatten hinter dem Zelt, der von keinem der Feuer ausgeleuchtet wurde. »Die Wachen wissen genau, wer wo wohnt. Und ich dachte mir, dass Ihr einen Platz am Rande wählen würdet, denn Ihr liebt es nicht, mittendrin zu sein.«
    Wie gut er sie kannte. Ein wohliges Gefühl durchströmte sie. »Und du wusstest, dass ich als Einzige diesen Geruch erkennen würde. Minze, Melisse und Zimt, nicht wahr?«
    »Nelken.«
    Sie tastete nach seiner Hand. »Hast du den grauen Hengst kuriert?«
    »Eine Hufentzündung verschwindet nicht über Nacht.« Er klang besorgt. »Aber wenn er genug Weidenrinde frisst, wird er keine Schmerzen haben. Doch deshalb bin ich nicht hier.«
    Sie wartete und genoss das Gefühl, seine warme Haut zu spüren und seinen Duft einzuatmen.
    »Ihr müsst Euch vor Annweiler in Acht nehmen. Er ist ein Vasall der Kaiserin. Sie hat ihn auf Euch angesetzt.«
    Judith schüttelte den Kopf, dann fiel ihr ein, dass er das im Dunkeln nicht sehen konnte. »Das kann nicht sein. Er wirkte sehr ehrenhaft.«
    »Ihr solltet mir glauben. Sie umgibt ihre Söhne nur mit Leuten, die ihr treu ergeben sind. Annweiler ist mehr als das, er ist ihr hörig.«
    »Aber …«
    »Er hat den Auftrag von ihr, Euch morgen zum Buhurt zu führen, um Euch auszuhorchen.«
    Sie schwieg betroffen. Ihre Menschenkenntnis hatte sie wieder einmal im Stich gelassen. Schon Isabella hatte immer gesagt, sie sei zu leichtgläubig. Trotzdem musste sie sich vergewissern. »Woher weißt du das?«
    »Als Sklave wird man nur wie ein Möbelstück wahrgenommen. Ich höre oft Dinge, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind.« Bitterkeit verfärbte seine Stimme.
    »Ich werde morgen mit dem Ritter zum Turnier gehen und ihm die richtigen Antworten geben, so dass Beatrix beruhigt sein kann.«
    »Hoffentlich genügt ihr das.«
    »Wie geht es Nawar?«
    »Er ist gegangen.«
    Sie drückte seine Hand an ihre Wange. »Es tut mir sehr leid. Er hatte ein hohes Alter erreicht.«
    »Ich glaube nicht, dass er gestorben ist. Dieses Pferd war nicht von dieser Welt.« Seine Hand war warm und duftete vertraut. »Eines Morgens war er nicht mehr auf der Koppel. Er war einfach weg.«
    Sie schwieg verblüfft. Diebstahl kam nicht in Frage, das wusste sie.
    Im grau werdenden Morgenlicht zeichnete sich allmählich sein Gesicht ab. »Du musst verschwinden, bevor dich jemand sieht.« Selten war ihr ein Satz so schwer über die Lippen gekommen. Wie um ihn Lügen zu strafen, hielt sie seine Hand fester. Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss.
    »Gebt auf Euch acht. Beatrix ist eine Wölfin im Schafspelz.«
    Wie war seine Hand aus ihrer geraten? Eben hatte sie noch seine feingliedrigen Finger umklammert. Jetzt hing nur noch der Duft nach Zimt und Nelken in der Luft.
    »Schwester Judith, was tut Ihr hier?« Die Witwe von Rothenburg ließ erschrocken ihr wallendes Brokatkleid hinabfallen, das sie bereits gerafft hatte, als sie über die Zeltschnur kletterte, um ihre Notdurft zu verrichten.
    »Dasselbe, das Ihr anscheinend vorhabt«, entgegnete Judith hastig und nestelte an ihrem Umhang.
    »Nicht wahr, diese Abortgruben sind wirklich widerlich. Die vielen fetten Fliegen sind kaum zu ertragen und erst der Gestank. Dagegen riecht es hier geradezu – würzig. Wie Weihrauch oder so. Riecht Ihr das auch?«
    »Nein, ich bemerke nichts«, schwindelte Judith und floh ins Zelt.
    Nach einem einfachen Frühstück strömte die Menge aus Tausenden von Gästen zum zentralen Platz. Judith war – erneut zum Erstaunen der Erfurter Hofdamen – vom Ritter Markward abgeholt worden. Sie hatte selbst nicht so zeitig mit ihm gerechnet.
    »Damit Ihr noch einen standesgemäßen Sitzplatz bekommt«, hatte er zur Begründung gesagt.
    Wieder einmal empfand sie es als überaus praktisch, sich keine Gedanken um Kleiderordnung und Kopfputz machen zu müssen wie die anderen Frauen im Zelt. Trotz ihrer profanen Kleidung bemerkte sie Markwards bewundernde Blicke, rief sich aber rechtzeitig ins Gedächtnis, dass diese wahrscheinlich nur seiner Rolle als Spitzel geschuldet waren.
    Sie bekamen tatsächlich noch einen der letzten

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