Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
in ihr Gemach zurückgezogen und wollte niemanden sehen; ihr Schwiegervater gab sich auch am Tage dem Rausch hin und war nicht ansprechbar. Umberto wusste nicht mehr ein noch aus vor Sorge. Er verstand seinen Herrn – als Mensch und Vater –, aber ein Principe musste mehr sein als das, er trug Verantwortung und hatte ein herausragendes Beispiel zu sein an Kraft und Hoffnung, gerade in schlechten Zeiten.
Bella und ihre Küchenmägde waren gerade dabei, einen kräftigen Eintopf aus Hammelfleisch und Rüben zu kochen, als der Leibdiener die Küche betrat. Ohne Umschweife setzte er sich an den großen Arbeitstisch. Bella nickte den Frauen zu, die sofort verstanden und die Küche verließen.
»Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll. Unser Fürst …«
Umberto klang vollkommen verzweifelt. Bella betrachtete ihn mit Skepsis. Der Diener hatte sie noch nie ins Vertrauen gezogen.
»Und warum kommst du damit zu mir?«, fragte sie geradeaus.
»Weil du der einzige Mensch in diesem Palazzo bist, der über Verstand verfügt«, erwiderte Umberto eindringlich. »Lassen wir das Vergangene. Ich war nicht immer gut zu dir. Ich hatte Angst, die Zuneigung meines Fürsten an dich zu verlieren. Doch selbst das wäre mir heute gleichgültig, wenn ich etwas für ihn tun könnte.«
Bella setzte sich zu ihm.
»Ich will dir nichts wegnehmen«, sagte sie leise. Es rührte sie, dass der Diener es geschafft hatte, offen das Wort an sie zu richten. »Ich bin dankbar, hier leben zu dürfen, lesen und schreiben zu lernen, in dieser Gemeinschaft zu sein. Das ist alles.«
Umberto nickte. Dann sagte er traurig:
»Unser Principe wird sterben vor Kummer, wenn er seinen Sohn verliert. Und die Pilze bringen ihn um. Jeden Tag geht ein Teil seiner Seele dahin.«
Bella nahm einen Apfel aus dem großen Weidenkorb unter dem Tisch und begann, ihn zu schälen. Dann reichte sie dem Leibdiener eine Hälfte und biss in die andere hinein. Der Apfel war schon etwas mehlig; es wurde Zeit, dass seine Brüder aus dem Korb verarbeitet wurden, bevor sich Fäulnis bildete. Umberto kaute an seinem Apfelstück, langsam schien es ihm wieder besser zu gehen.
»Hast du eine Idee, Magdalena?«
Das Mädchen dachte nach.
»Der Sohn des Conte sucht nach Fabrizio. Um ihn müssen wir uns also nicht kümmern. Wir sollten versuchen, den nubischen Heiler ausfindig zu machen. Wenn jemand unserem Herrn den Lebensmut zurückgeben kann, dann er. Schließlich hat er es schon einmal geschafft.«
»Wir können nicht die ganze Toskana nach ihm absuchen«, erwiderte Umberto ungehalten. »Wer weiß, vielleicht ist er weitergezogen nach Spanien oder in den Norden hoch. Das war kein guter Einfall, Magdalena.«
»Ich kann mir denken, wo er sich aufhält«, antwortete Bella. »Und ich weiß auch schon, wie wir ihn schnellstens benachrichtigen können.«
Bella stand vor dem Mönch im Scriptorium und erzählte. Bruder Angelo traute seinen Ohren nicht.
»Ich soll einen Novizen nach Grosseto schicken?«
Bella nickte. Sie wusste zwar, dass die Gaukler in den letzten Wintern ihr Lager bei Arezzo aufgeschlagen hatten, aber in Umbrien war der Winter dieses Mal noch unbarmherziger als in der Toskana. Und sie hatte aufgeschnappt, dass Momo von einem Winterquartier in Grosseto gesprochen hatte. Der Vogt ist ein geldgieriger Mann, überlegte sie, er würde jeden aufnehmen, solange genug Scudos dabei für ihn abfallen.
»Grosseto, ja. Unter den Gauklern ist ein Fremder, ein Heiler aus Nubien.« Sie sah, dass der Mönch mit den Augen rollte, und musste lächeln. »Unser Fürst schätzt ihn. Er möchte ihn sehen … es ist dringend. Ich habe einen Brief an ihn geschrieben. Lest ihn, Vater. Ich habe keine Geheimnisse vor Euch. Außerdem …«, sie errötete, »es ist mein erster Brief, und ich hoffe, es sind nicht zu viele Fehler darin.«
Mit strenger Miene nahm der Mönch das Schreiben entgegen: eine Einladung, in wenigen Worten abgefasst, fehlerfrei. Er sah sie freundlich an.
»Gut gemacht, Magdalena. Aber es fehlt die Signatur.«
Er reichte dem Mädchen einen Federkiel, und zum ersten Mal schrieb sie ihren Namen.
»Ich bin mir sicher, unser Abt wird diese Reise und ihre Dringlichkeit verstehen«, sagte er mit verschwörerischem Unterton, »unser Novize wird noch heute aufbrechen. Und nun komm mit mir in die Mensa. Ich habe schöne Bücher für uns ausgesucht.«
22. KAPITEL
P aolo war fasziniert von der Pracht, mit der sich die Familie Medici umgab. Gegen ihr Haus – Giuliano nannte
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