Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
unverhoffte Geste der Zuneigung erstaunt über sich ergehen ließ. Dann stieg Carlo in den Sattel, gab seinem Stallburschen ein Zeichen und setzte sich an den Kopf der Truppe, die er nun zurück nach Lucca führte. Ohne ein Wort des Abschieds wendete er sein Pferd und gab das Signal zum Aufbruch. Die Soldaten jubelten. Der junge Conte sah ihm nach, bis die Reiter in einer Staubwolke am Horizont verschwunden waren. Er atmete ein, so tief er konnte. Die kalte Winterluft schnürte seine Brust zusammen. Energie durchströmte ihn, jetzt hieß es handeln. Er machte sich auf direktem Weg auf zum neuen alten Herrscher von Florenz. Siena und Lucca hatten ihm zum Sieg verholfen, nun war es an Giuliano und den Seinen, alles zu tun, um das Schicksal von Fabrizio di Nanini aufzuklären.
Als Fabrizio erwachte, wusste er nicht, was geschehen war und wo er sich befand. Sein Schädel dröhnte; seine Augen schmerzten, sobald er versuchte, irgendeinen Punkt zu fixieren. Wie lange war er schon hier? Er spürte das nasse, kalte Stroh unter sich, hörte das Trappeln und Fiepen der Ratten. Er horchte. Nirgendwo ein Laut, die Stimme eines menschlichen Wesens. Er versuchte, sich zu konzentrieren, doch es gelang ihm nicht, er sog die Luft ein, bemüht, in dem fauligen Geruch irgendetwas Vertrautes zu entdecken. Es roch nach Erde und Steinen. Er war also irgendwo in einem Keller oder in einem Verließ. Fabrizio wartete. Er wartete auf das Licht des neuen Tages. Irgendwann würde ein Lichtstrahl in diesen Kerker fallen, doch es geschah nichts. Die Dunkelheit blieb. Vielleicht bin ich ja erst ein paar Stunden hier, versuchte er sich Mut zu machen, und mir kommt es wie Tage vor. Das Licht muss kommen. Es muss …
Aber da kam kein Licht. Fabrizio schluchzte auf. Sie hatten den Sieg errungen, hatten in der Allianz ihre Loyalität bewiesen – es musste doch auffallen, dass er auf einmal nicht mehr unter ihnen war. Schnell griff er sich an sein Wams, ertastete sein Hemd, seine Hosen, die Stiefel. Es war schon mehr als einmal vorgekommen, dass man einen Nobile seiner Gewänder beraubt und eine unkenntliche Leiche damit gekleidet hatte, um eine unerwünschte Person zu beseitigen. Aber in seinem Fall? Nein, er war sich sicher, er trug noch seine eigenen Kleider, auch wenn er sie nicht sehen konnte.
Für einen Moment beruhigte sich sein Herz, doch dann geriet er erneut in Panik. Was hatte er getan oder erzählt, dass man ihn vor der Welt versteckte? Gut, er hatte mit den anderen Nobili abends am Feuer gesessen, und sie hatten sich zotige Geschichten erzählt von ihren Huren. Aber das war Brauch, um sich abzulenken. Er hatte Cassandras Vorzüge mit keinem Wort erwähnt, über das eigene Weib sprach niemand in seinen Kreisen; allein von der Marketenderin hatte er berichtet und wie sie ihn zum Mann gemacht hatte, und von Bella und ihren zweifarbigen Augen, ihrer Haut wie Milch. Er stutzte. Er hatte erzählt, dass er sie gern zu seiner Geliebten machen würde, irgendwann, wenn sein Weib mit den Kindern beschäftigt sei. Das war dumm gewesen. Vielleicht waren seine Worte Giuliano zugetragen worden, und der hatte, um die Ehre seiner Nichte zu retten … nein. Wenn einer der größte Hurenbock unter der Sonne war, dann der Sohn von Lorenzo dem Prächtigen. Für ihn waren Weiber nützlich, aber er verschwendete keinen Gedanken an ihr Wohlergehen, selbst wenn sie zur Familie gehörten.
Fabrizio stöhnte auf. So kam er nicht weiter. Er richtete sich auf und stellte erleichtert fest, dass er in seinem Kerker stehen konnte. Vorsichtig tastete er sich an der feuchten Mauer entlang bis zur nächsten Ecke. Und wieder bis zur nächsten. Sein Gefängnis war anscheinend einigermaßen groß. Er ging vorsichtig weiter und stieß an etwas, das sich wie Metall anhörte. Richtig, ein Eimer. Mit Wasser darin. Daneben lag ein Laib Brot, feucht und schon halb aufgefressen von den Ratten, die sich unter lautem Pfeifen davonmachten. Gierig biss er hinein. Als er spürte, dass irgendetwas nicht stimmte, schwanden ihm bereits die Sinne.
Die Nachricht, dass die Belagerung vorbei sei und Siena siegreich an der Seite von Lucca für Florenz gekämpft hatte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer am Hof in Ascarello. Trotzdem war die Stimmung gedämpft; wenn sich auch die Mägde und Dienerinnen auf die Rückkehr ihrer Männer und Söhne freuten, so war es dem Respekt vor ihrem Fürsten geschuldet, an seinen Sohn zu denken und für eine baldige Rückkehr zu beten.
Cassandra hatte sich
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