Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
sein Heim wirklich so – nahm sich der Palazzo, in dem er aufgewachsen war, klein und bescheiden aus. Hier dagegen gab es kaum eine Wand, die nicht durch einen Gobelin geziert oder mit Gemälden behängt war; Teppiche, auf denen die eingewebten Bilder Geschichten erzählten, überall buntes Glas und Silber – es dauerte ein paar Tage, bis sich seine Augen an all das gewöhnt hatten. Der Florentiner nahm es mit Heiterkeit, dass der junge Conte so beeindruckt war.
»Ob Ihr es glaubt oder nicht, mein Freund, auch ich erfreue mich jeden Tag aufs Neue an all dem Schönen, was mich umgibt. Wisst Ihr …«, er hielt seinen Pokal ins Kerzenlicht und betrachtete das Schimmern der eingesetzten Edelsteine, »… Ihr seid Nobile und mit Prunk und Pracht groß geworden. Für Euch ist es selbstverständlich, in einem weichen Bett zu schlafen und unter einem goldbestickten Baldachin aufzuwachen. Ich aber musste für all das hier hart arbeiten.«
Er lächelte und prostete Paolo zu. Der nickte und hob ebenso seinen Becher.
»Und trotzdem – Geld und Macht hin oder her –, die Medici sind nicht aus Eurem Stand, und glaubt mir, Sua Nobiltà, es sind nicht alle Edlen wie Ihr. Viele würden uns am liebsten von dieser Erde vertreiben. Sie verachten uns für unsere Macht und unseren Einfluss, halten uns für unwürdige Emporkömmlinge. Und da darf sich manch einer nicht wundern, wenn wir uns auch genau so verhalten.«
Auf die letzten Worte wusste sich Paolo keinen Reim zu machen, doch da der Hausherr das Gespräch bald auf andere Themen lenkte, vergaß er das Gesagte und beteiligte sich rege an der Diskussion. Er blickte sich um. So musste es früher bei seinem Vater zugegangen sein, bevor er sich aus der Gesellschaft zurückgezogen hatte: eine Tafel mit vielen interessanten Gästen daran, muntere Tischgespräche und elegante Damen. Wie schön wäre es, dachte er, Bella hier an meiner Seite zu haben.
»Wer da?«
Laut dröhnte die Stimme der Wache in die Nacht. Sofort kamen andere Männer herbei, Fackeln wurden entzündet. Der junge Mann rührte sich nicht, als Hector auf ihn zuging. Als dieser des Fremden ansichtig wurde, konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Zitterst du vor Angst oder vor Kälte?«
Er stellte sich breitbeinig vor den anderen hin und stemmte die Fäuste in die Seiten. Jetzt bebte der junge Bursche noch mehr, und Hector musste lachen.
»Komm mit zum Feuer und wärm dich auf. Aber sag mir … was sucht ein Mönch in einem Zigeunerlager?«
Der Angesprochene griff in sein Bündel und holte einen Brief heraus.
»Ein Brief? Was soll ich mit einem Brief, mein Sohn? Ich besitze viele Talente, aber aufs Lesen verstehe ich mich leider nicht.«
Hector hielt den Brief über seinen Kopf und wedelte damit belustigt hin und her, auch die Männer, die ihn umringten, lachten. Jetzt endlich begann der Bote zu sprechen.
»Unter euch soll ein Heiler sein. Aus Nubien. Sein Name ist Nwuma. Für ihn ist dieser Brief.«
Der Anführer der Gaukler brummte etwas in seinen Bart, dann sagte er zu dem Jungen:
»Den Brief kannst du ihm selbst geben. Und jetzt komm mit ans Feuer und iss etwas. Du siehst hungrig und müde aus.«
Nachdem sich der Novize gestärkt hatte, bat ihn Nwuma, ihm den Brief vorzulesen.
»Der Heiler aus Nubien, genannt Nwuma, wird eingeladen zu Andrea di Nanini. Magdalena.«
»Mehr steht da nicht drin?«, platzte es aus Hector hinaus. Nwuma und Benedetto, der sich ebenfalls zu ihnen gesellt hatte, sahen den Führer der Zigeuner fragend an und zuckten mit den Schultern.
»Wer hat dir den Brief gegeben?«, wollte Nwuma wissen.
»Bruder Angelo vom Kloster der Lieben Frau bei Ascarello.«
»Und wo soll das sein?«, wollte nun Benedetto wissen. In seinem Ton lag eine drohende Schärfe. Der Novize spürte das.
»Bruder Angelo ist Lehrer der Köchin Magdalena am Hofe von Sua Altezza Andrea di Nanini bei Siena. Der Fürst zahlt unserem Kloster Geld, damit Bruder Angelo sie unterrichtet.«
Er blickte angstvoll die drei Männer an.
»Wie sieht sie aus?«, fragte Nwuma, doch nun war es der Junge, der mit den Schultern zuckte.
»Ich bin erst seit Kurzem Novize bei den Brüdern. Ich habe sie noch nie gesehen. Aber Bruder Angelo spricht gut von ihr.«
Benedetto seufzte.
»Weißt du etwas über den Fürsten? Wie geht es ihm?«
Der Gefragte blickte unsicher auf seine Hände. Er schien zu überlegen, was er sagen durfte und was nicht.
»Hör mal«, mischte sich nun Hector ein, »wenn du uns nicht
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