Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
erstaunlicher Gelassenheit, etwas zu gelassen, wie die Weiber sofort tratschten. Noch am selben Abend wurde er begraben, ohne die Ehrerbietung der Bürger seiner kleinen Stadt. Ihr Vogt war ein gemeiner Verbrecher gewesen, und genauso war er gestorben. Es gab keinen Grund, um ihn zu trauern. Also waren es nur der Prete und Francesca, die ihm die letzte Ehre erwiesen, und wie der Pfarrer bemerkte, hatte sie es erstaunlich eilig, nach Hause zu kommen. Er konnte nicht wissen, dass dort ein Gast auf sie wartete.
»Mach kein Licht.«
Der Fremde stand am Fenster, sie konnte nur sein Profil sehen.
»Eure Schergen waren schon am Nachmittag hier und haben das ganze Haus auf den Kopf gestellt, und sie haben mir gesagt, dass Ihr mich sprechen wollt«, sagte Francesca ruhig. »Mein Bruder mag ein schlechter Mensch gewesen sein, aber er hat über seine Geschäfte nie ein Wort verloren, Herr. Das schwöre ich.«
»Ich bewundere dich für deinen Mut, so mit mir zu sprechen, Weib«, erwiderte der Fremde. »Es wäre ein Leichtes für mich, dich zu deinem verderbten Bruder in die Hölle zu schicken, aber ich habe den Verdacht, nein, den Wunsch, dass du mir lebend nützlicher bist.«
Francesca sagte zunächst nichts, dann antwortete sie:
»Wenn Ihr mein Leben nehmen wollt, nur zu. Es gibt nichts, was ich auf Erden vermissen würde.«
Dem Mann am Fenster entfuhr ein Laut des Erstaunens.
»Das tut mir leid, Francesca. Aber vielleicht beginnt ja jetzt eine gute Zeit für dich. Wohlstand. Freiheit. Unter einer Bedingung …«
»Die da wäre?«, wollte Martinis Schwester wissen, doch ihre Stimme klang gleichgültig, als hätte sie sich schon mit ihrem Ende abgefunden.
»Du bleibst dabei, dass du nichts weißt. Und zwar für immer. Dann ist dein Leben lang und sorgenfrei. Wenn nicht – du weißt, wie ich mit Verrätern umgehe.«
Der Fremde öffnete das Fenster und sprang hinaus. Francesca fühlte, wie kalter Wind in die Stube kroch und ihre Stirn kühlte. Ihr Herz pochte schnell und hart gegen ihre Brust. Es stimmte: Sie war frei. Francesca setzte sich auf einen Stuhl und spürte, dass sie zum ersten Mal seit vielen Jahren glücklich war.
»Ich habe Andrea di Nanini mein Wort gegeben.« Erregt schritt Paolo im großen Saal auf und ab. Giuliano betrachtete ihn aufmerksam. »Versteht Ihr nicht? Ich verliere mein Gesicht, wenn ich ohne jedes Ergebnis von hier zurückkehre.«
Sein Gastgeber streckte sich in seinem großen Sessel aus und barg die Füße auf einem dick gepolsterten Bänkchen. Dann nahm er sich einen großen Apfel aus der Obstschale und begann, ihn zu schälen.
»Ich weiß nicht, was Euch so in Aufregung versetzt«, begann Giuliano zu sprechen. »Wenn Ihr mir und den Meinen nicht traut, müsst Ihr Euch selbst auf die Suche machen. Aber lasst Euch warnen. Das wäre kein kluger Schritt hinsichtlich bestehender Allianzen.«
»Wollt Ihr mir drohen?«
Paolos Stimme zitterte vor Wut.
»Aber natürlich«, entgegnete der andere leichthin und warf ihm ein Apfelstück zu, das Paolo reflexartig auffing. »Ihr würdet Euch an meiner Stelle genauso verhalten, Conte, also guckt nicht so verbiestert. Soll ich Euch ein Weib beschaffen lassen, damit Ihr wieder gute Laune bekommt?«
Paolo dachte nach und biss in den Apfel. Dieser Emporkömmling Giuliano de’ Medici hatte Recht. Natürlich würde er sich genauso verhalten, aber er war schließlich ein Nobile.
Sein Gastgeber war aufgestanden und streckte sich.
»Oder meint Ihr, nur Ihr dürft so handeln, weil Ihr von höherem Stand seid?« Er lachte, und es klang herzlich. »Nein, mein lieber Freund, die Zeiten sind vorbei. Begreift das endlich. Mächtig ist, wer die Macht hat, nicht, wer von Adel ist.«
Er ging auf seinen Gast zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Wenn ich Siena unterwerfen wollte, würde ich wohl kaum den Sohn des Fürsten gefangen nehmen und die übrige Familie am Leben lassen. Das wäre, sagen wir, etwas ungeschickt.«
Der junge Conte sah betreten auf den Boden. Giuliano hatte seine Gedanken durchschaut.
»Grämt Euch nicht«, sagte der Florentiner und gab seiner Stimme einen munteren Klang, »Ihr seid noch nicht geübt im Herrschen und Taktieren. Wenn Ihr so alt seid wie ich, werdet Ihr viele Gespräche wie diese geführt haben. Glaubt mir. Und nun sagt mir, wo wir Fabrizio noch suchen sollen.«
Er ließ sich zurück in den Sessel fallen und schlug die Beine übereinander. Seine Augen blickten gespannt auf Paolo.
»Er ist verschwunden. Einfach
Weitere Kostenlose Bücher