Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
niemals.« Er sah Paolo an. »Wie oft habe ich Massimo beneidet, dass er so viel Zeit mit ihr verbringen kann. Glaub mir, Paolo, wenn ich ein einfacher Mann wäre, ich hätte Bella längst zu meinem Weib gemacht.«
Der junge Conte wusste nicht, was er auf diesen Gefühlsausbruch erwidern sollte. Er klopfte dem anderen etwas unbeholfen auf die Schulter, dann setzte er sich dicht neben ihn.
»Ich wollte dich nicht kränken, Fabrizio, verzeih. Aber was Bella betrifft: Ich werde beim Fürsten um ihre Hand anhalten.«
Fabrizio drehte sich langsam zu Paolo hin, dann packte er ihn blitzschnell am Mantelkragen.
»Was hast du gesagt?«, zischte er, und seine Augen waren zu Schlitzen verengt. »Das werde ich nicht zulassen, darauf hast du mein Wort.«
Paolo nickte und stand auf. Er hatte Lust, etwas zu erwidern, doch er wusste, es würde zu nichts führen. Also nahm er seine Satteltasche und eine Decke und streckte sich am Feuer aus. Noch ein paar Tage, dann hatte er es geschafft. Dann war er wieder in Lucca. Müde von den Strapazen des Tages schlief er ein.
Als die Männer zur Mittagszeit Ascarello erreichten, waren beide in Gedanken versunken. Den letzten Teil ihrer Reise hatten sie fast schweigend zurückgelegt; die Gefühle für Bella, die jeder von ihnen hegte, hatten einen Keil zwischen sie getrieben.
Umberto belud gerade einen Wagen, zwei Stallburschen halfen ihm dabei, die schweren Truhen zu verstauen. Als er in der schneebedeckten Landschaft zwei Reiter entdeckte, hielt er inne und wartete. Und richtig. Es waren Fabrizio und Paolo. Umberto stöhnte auf. Jetzt, da der Sohn des Fürsten zurück war, konnte er ruhigen Gewissens nach Grosseto gehen. Seine Beine zitterten ein wenig, als er den beiden entgegentrat. Paolo stieg als Erster ab und übergab die Zügel einem der Knechte, dann ging er schnellen Schrittes auf Umberto zu.
»Wir haben noch nicht mit Euch gerechnet, aber wir haben auf Euch gehofft«, versuchte der Leibdiener die Begrüßung nicht zu persönlich werden zu lassen. Er wusste, es stand ihm nicht zu, aber einem plötzlichen Impuls folgend, drückte er den jungen Conte an sich.
»Und ich?«
Das war Fabrizios Stimme. Umberto wandte sich um. Er konnte die Tränen kaum zurückhalten. Ergriffen drückte er den Sohn seines Fürsten an sich.
»In die Sala, wenn ich bitten darf«, sagte er betont munter und lächelte. Dann begab er sich auf schnellstem Weg in die Küche des Palazzo. Das musste gefeiert werden.
Die Küche war heiß und feucht von Wasserdampf. Über dem großen Kessel hing ein Stock, an dem ein Braten im Schweinenetz garte. Es roch verführerisch nach Kräutern und Speck. Bella stand mit hochrotem Kopf an der Feuerstelle und probierte sich an einer neuen Nachspeise aus Äpfeln und Zucker. Umberto sog all diese Düfte genüsslich ein. Er würde vieles vermissen, am meisten jedoch die Köstlichkeiten, die hier mit Geschick und Verstand bereitet wurden.
»Hol von unserem besten Wein«, wies er ein Küchenmädchen an, das mit großen Augen vor ihm einen Knicks machte und wortlos im Keller verschwand. Der Leibdiener sah sich um. Gut ein Dutzend Menschen arbeiteten hier zum Wohl ihres Fürsten, dem heute wohl glücklichsten Menschen der Welt. Als die Magd zurückkam, ließ er Becher austeilen und ging selbst vom einen zum nächsten, um jedem von dem kostbaren Rebensaft einzugießen. Die Diener schauten einander verwundert an; niemand traute sich, das Wort an ihn zu richten.
»Auf unseren Principe«, sagte er laut und legte so viel Würde wie möglich in seine Stimme, »und auf seinen Sohn, der soeben zu uns zurückgekehrt ist. Es lebe Siena!«
Bella hob ihren Becher und prostete Umberto zu; sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals so gelöst gesehen zu haben. Nun war Fabrizio also wieder da. Und sie wusste, der Fürst würde bald nach ihr rufen lassen.
»Magdalena.«
Der Fürst saß am Kamin und winkte sie heran. Er trug sein prächtigstes Gewand; Haare und Bart waren frisch gestutzt. Bella sah sich um. Neben di Nanini standen sein Sohn und Paolo, weiter hinten am Fenster erblickte sie Nwuma. Die Gesichter der Männer waren ernst; auf Fabrizios Stirn standen Schweißperlen.
Der dicke Teppich dämpfte den Klang ihrer Schritte, als sie auf den Principe zuging. Sie hatte erwartet, auf eine fröhliche, von der Wiedersehensfreude trunkene Runde zu treffen, doch sie fühlte sich auf einmal wie in einer eisigen Gruft. Ihr Lächeln wich einem fragenden Blick. Der Fürst nickte ihr zu und
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