Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
an. Carlo lächelte leise.
»Ich habe Paolo dafür gehasst, dass ich mit ihm gegen Florenz ziehen musste, aber ich habe dabei eines gelernt: Ich bin nicht dafür gemacht. Ich will kein Nobile sein, ich will nicht reiten und herrschen und kämpfen und über andere Menschen bestimmen.«
»Was ist das für ein Unsinn, Carlo?« Di Cavalli runzelte die Stirn. »Du willst kein Nobile sein. Was willst du dann sein, mein Sohn?«
Carlo atmete tief durch. Er wusste, die Antwort würde seiner Familie nicht gefallen.
»Ich werde mich den Benediktinern anschließen. In Gaiole gibt es ein Vallombrosanerkloster. Ich habe viel von den Mönchen dort gehört. Dorthin werde ich gehen.«
»Das wirst du nicht, Carlo«, sagte der Conte aufgebracht, »das werde ich nicht zulassen!«
Sein Sohn zuckte gelassen mit den Schultern.
»Ich habe in Eurem und in Paolos Sinne für diesen Hof und für Lucca gesorgt, als Ihr krank wart und mein Bruder nicht hier sein konnte. Doch nun ist Paolo zurück, und ich darf an mich denken.«
»Ich lasse dich einsperren wie einen gemeinen Hühnerdieb«, schimpfte di Cavalli. »Was bildest du dir ein? Unsere Familie ist wohlhabend. Auch der Zweitgeborene kann ein glückliches, freies Leben als Nobile führen. Hier. Bei seiner Familie.«
Carlo hob beschwörend die Hände. Es war ihm klar gewesen, dass sein Vater mit Unverständnis reagieren würde. Wenn ein Sohn aus edler Familie ins Kloster ging, dann nur, weil die Familie verarmt war oder der Bursche etwas ausgefressen hatte und dem weltlichen Gericht entzogen werden sollte.
Ascanio war immer noch wütend. Er stampfte mit seiner Krücke auf und schüttelte den Kopf.
»Dafür hat deine Mutter dich nicht geboren«, sagte er leise. »Die Geburt hat sie geschwächt, das Fieber aus dem Sumpf hatte leichtes Spiel. Ich habe sie geliebt, Carlo. Und das ist der Dank?«
Erschrocken blickte die Contessa ihren Gemahl an. In ihrer Gegenwart hatte er noch nie ein Wort über die Gefühle zu seiner ersten Frau verloren. Für einen Moment war es still im Saal, dann ergriff Paolo das Wort. Er legte den Arm um den Bruder und zog ihn an sich.
»Überleg es dir noch einmal«, versuchte er ihn umzustimmen, »du kannst auch Nobile sein, ohne zu kämpfen – wenn das dein Wunsch ist. Ich werde dich nie wieder zwingen, mich auf das Schlachtfeld zu begleiten, das schwöre ich dir.«
Carlo sah seinen Bruder nachdenklich an und nickte. Es war sinnlos. Hier verstand ihn niemand. Er würde irgendwann sein Bündel schnüren und verschwinden, wie ein Dieb in der Nacht.
Donna Donata war froh, dass sich die Aufmerksamkeit Ascanios in diesem Moment auf seine Söhne richtete. Sie konnte es kaum erwarten, wieder in ihrem Gemach zu sein. Bald sollte sie also ihre Tochter wiedersehen, mehr als das, sie würde hier bei ihnen leben – als Paolos Frau. Sind die Wege des Herrn nicht unergründlich, dachte sie, immer noch bemüht, sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen. Ihr Gemahl wusste über Bella Bescheid – trotzdem oder gerade deshalb hatte er geschwiegen, als Paolo stolz von seinem Antrag berichtete. War sie ihm inzwischen gleichgültig? Die Contessa schüttelte in sich gekehrt den Kopf. Da drangen Wortfetzen an ihr Ohr, ließen sie zusammenschrecken. Der Streit zwischen Ascanio und Carlo war wieder aufgeflammt, doch sie nahm nur die Stimmen der beiden Männer wahr, was sie sagten, vermochte ihr aufgeregter Geist nicht zu begreifen. Endlich war es still. Sie blickte sich um; die beiden Streithähne atmeten heftig, Paolo stand wie unbeteiligt daneben.
»Ich möchte mich zurückziehen«, sagte sie so unbefangen wie möglich, »schließlich feiern wir heute das Fest deiner Wiederkehr, Paolo.«
Sie bedachte den älteren Sohn des Conte mit einem Lächeln. Er nickte ihr zu, irgendwie abwesend.
Donata wartete ab, ob Ascanio etwas erwidern würde, dann erhob sie sich und ging, obgleich sie am liebsten gelaufen wäre, ruhigen Schrittes hinaus.
»Warum dieses Mädchen?«, fragte Ascanio unvermittelt. »Sie ist einfachen Standes.«
»Sie macht mich glücklich, wenn ich sie nur ansehe«, entgegnete Paolo und bemühte sich, nicht wie ein verliebter Gockel zu klingen. Sein Vater machte eine unwirsche Handbewegung.
»Und wenn du es nicht glaubst, Sohn, ich weiß, was es heißt zu lieben. Und was es heißt, einen Verlust zu erleiden. Aber ich dachte, du hättest in den letzten Wochen gelernt, wie ein Conte zu denken. Nicht nur im Kampf. Die Ehe ist auch eine Allianz. Vergiss die Kleine
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