Das Geheimnis der Contessa - Historischer Roman
Bruder Angelo hatte sein Tempo um ein Vielfaches erhöht – zumindest schien es ihr so. Wahrscheinlich klingeln seinem Abt die vielen Silberlinge in den Ohren, dachte sie und war schon wieder nicht bei der Sache. Der Mönch bemerkte es sofort.
»Du kannst von Glück reden, dass du eine junge Frau bist, Magdalena«, sagte er streng und verschränkte die Hände hinter seinen breiten Hüften, »wärst du ein Knabe, hätte ich dir schon das eine oder andere Mal eine Schelle versetzt, glaub mir.«
Bella sah ihn neugierig an; warum war Bruder Angelo auf einmal so ehrgeizig? Sie klappte behutsam das Buch zu, das vor ihr lag, und sah ihn offen an.
»Es geht alles so schnell, Vater. Seitdem Umberto nicht mehr hier ist, soll ich alles drei- und viermal so schnell lernen. Mir brummt der Kopf, glaubt mir!«
Sie lächelte und legte den Kopf etwas schief. Der Mönch wich ihrem Blick aus und räusperte sich. Dann sagte er in freundlicherem Ton:
»Als Umberto noch bei uns war, hatte der Fürst in ihm einen bewährten Ratgeber, der über großes Wissen verfügte, auch wenn er sich das nicht anmerken ließ. Umberto ist ein hochgebildeter Mann, Magdalena. Doch nun erfüllt er andere Aufgaben für Siena, und du musst so schnell und so viel lernen wie möglich, damit du ihn wenigstens zu einem Teil ersetzen kannst. Verstehst du mich?«
Bella nickte. Sie hatte die Verantwortung ihres neuen Standes unterschätzt. Nun zog sie ihre Brauen zusammen und sagte feierlich:
»Ich habe verstanden, Vater. Ich werde die beste Schülerin sein, die Ihr je hattet.«
Das ist keine Kunst, dachte der Mönch amüsiert, du bist das erste und einzige Weib, dem ich all das beibringe. Laut sagte er nur:
»Wo waren wir stehen geblieben?«
Für Fabrizio war es nicht leicht, sich am Hofe in Ascarello wieder einzuleben. Er trug das Unvermögen, sein Verschwinden zu erklären, wie eine schwere Last mit sich herum. Besonders schmerzlich empfand er das Misstrauen seiner Frau. Obwohl ihn die Fähigkeiten des Mädchens mit den Mandelaugen zu höchster Wonne gebracht hatten, wusste er genau, dass sein Platz hier in Ascarello war. Er schämte sich, dass er die Drogen, die sie ihm unverhohlen verabreicht hatte, so lange und so willfährig genossen und nicht den kleinsten Fluchtversuch unternommen hatte.
Er betrachtete Cassandra, wie sie neben ihm lag und schlief. Ihre Brüste, schon immer von imposanter Größe, hatten sich fast verdoppelt, schien es ihm, und ihr Leib war so angeschwollen, als trüge sie nicht eines, sondern ein Dutzend Kinder in sich. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihren Bauch. Da war sie wieder, eine kleine Bewegung, zart wie ein Kuss. Mein Sohn, dachte er stolz, noch wenige Wochen und ich werde ihn in meinen Armen halten. Cassandra murmelte etwas im Schlaf und drehte sich von ihm weg; Fabrizio war noch nicht müde. Er schlug die Decke zur Seite und griff nach seinem Umhang. Er würde der Küche einen kleinen Besuch abstatten. Vielleicht traf er Massimo dort. Sie beide hatten sich seit seiner Rückkehr noch kein einziges Mal vertraulich gesprochen. Leise schlüpfte er in seine Schuhe und verließ das Schlafgemach.
Der junge Fürst hatte einen guten Zeitpunkt gewählt, denn der Koch war noch bei der Arbeit und bereitete einige Speisen für den nächsten Tag vor. Als er erkannte, dass Fabrizios Besuch privater Natur war, grinste er und ließ sein Arbeitszeug sinken. Er wies mit dem Kinn zur Tür, die in den Weinkeller führte, und ging wortlos voraus. Erst hier unten, im Schutz der Fässer und Krüge, umarmte er seinen jungen Herrn und goss ihnen beiden etwas Wein ein. Die beiden Männer tranken schweigend. Schließlich fragte Fabrizio:
»Bist du glücklich?«
Der Koch kratzte sich wie immer, wenn er verlegen wurde, den kahlen Schädel. Ja, er war glücklich mit seinem Weib und der Horde an kleinen hungrigen Mäulern, die ihn jeden Tag zum Lachen brachten. Er nickte und fragte zurück:
»Und Ihr, Herr?«
Der junge Fürst lächelte gequält.
»Meine unehrenhafte Gefangenschaft und die Tatsache, dass ich nichts zu meiner Entlastung sagen kann, nagen an mir, Freund.«
Massimo legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Aber Ihr werdet bald Vater sein. Das ist wunderschön.«
Jetzt lächelte Fabrizio.
»Ich habe meinen Sohn schon gespürt. Er schlägt im Bauch seiner Mutter Purzelbäume, am liebsten zur Nachtzeit.« Er hielt dem Koch seinen Becher hin und ließ sich Wein nachschenken. »Aber er wird ein halber Medici sein, und ich weiß
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